Queer, bunt, laut und emotional: Der diesjährige Dragqueen -Contest im Komma in Esslingen begeistert mit zehn talentierten Performern. Das ist die diesjährige Gewinnerin.
Es ist ein bunter Abend voller Dessous, Perücken und vor allem Toleranz im Esslinger Komma. Zehn Teilnehmende kämpfen – besser gesagt performen – beim Drag Open Stage Contest um den Titel „Esslingens Rising Star of Drag“.
Im Rahmen ihrer Diva-Reihe veranstaltet Dragqueen Veronica Mont Royal den Contest zum zweiten Mal mit dem Verein QueerEs und dem Komma Esslingen. Im vergangenen Jahr fand der Wettbewerb noch mit Förderung des städtischen Kulturamtes statt. Dieses Mal mussten die Veranstalter auf Zuschüsse verzichten. Dennoch wollten sie ihn unbedingt wieder ausrichten. Denn: „Das ist eine große Chance, anderen Leuten Drag näherzubringen und ihnen zu zeigen, dass es eine Kunstform ist, die jedem offen steht“, erklärt Veronica Mont Royal, die im Komma vier bis fünf Drag-Shows jährlich veranstaltet.
Drag hat mit Theatralik zu tun,vor allem aber mit Authentizität
Die Jury besteht an diesem Abend aus jeweils einer Vertreterin der Vereine QueerEs und Abseitz aus Stuttgart, dem Münchner Drag-King Perry Stroika und den beiden Drag-Queens Veronica Mont Royal und Queen Henni. Worauf achten sie bei den Auftritten der zehn Drag-Newcomer besonders? „Darauf, dass man ihnen den Spaß ansieht und vor allem, dass jede Künstlerin und jeder Künstler seine eigene Persönlichkeit feiert und nicht dem Publikum etwas vorspielt“, sagt Veronica Mont Royal. Drag sei zwar immer mit Theatralik verbunden, dennoch würden Spaß und Authentizität stets im Vordergrund stehen.
Ihr sei auch wichtig, die Akteure zusammenzubringen. So waren die Teilnehmenden der letztjährigen Open Stage auch beim Christopher Street Day (CSD) dabei. Sie seien mittlerweile gute Freunde geworden. „Der Kreis wird also immer größer“, freut sich Veronica Mont Royal. „Zu sehen, dass man dieses queere Leben in Esslingen so feiern kann und dass man so eine Resonanz bekommt, ist einfach sehr bewegend.“
Eine Show mit Action, Drama, Humor und viel nackter Haut
Die Show beginnt mit einer Menge Action. Drag-King Logan Steele aus Nürtingen bricht wortwörtlich durch die Wand, bevor er rowdyhaft über die Bühne tanzt. Etwas ruhiger wird es im Anschluss beim Auftritt der Nürtinger Dragqueen Sapphire Toniq. Emotional singt sie „Hurt“ von Christina Aguilera, während das Publikum sie an den passenden Stellen schreiend unterstützt. Dragqueen Gott aus Stuttgart beginnt ihre Performance von Britney Spears „I’m a Slave for U“ zunächst im Mantel. Schnell ist dieser aber weg und enthüllt ein durchsichtiges Spitzendessous und rote Nippelpatches. Das Publikum wird entsprechend laut.
Auf Gott folgt Fat’ah Morgana aus Esslingen. Sie performt einen Remix von zwei Liedern. Dabei spiegelt sie mit großem schauspielerischem Talent die Texte der Lieder wieder und stolziert über die Bühne. Espresso Martina aus Stuttgart vereint ihre Live-Performance von „Hopelessly Devoted To You“ von Olivia Newton John mit Humor. Während ihrer Performance bringt sie das Publikum mehrmals mit sexuellen Anspielungen und kurzen Kommentaren zum Lachen. Drag-King Batalanta Belulico, ebenfalls aus Stuttgart, jongliert und tanzt bei seiner Performance mit Keulen. Unter lautem Geschrei betritt anschließend Drag-King Smash aus Esslingen die Bühne. Es folgt eine machomäßige Playback-Performance.
Vicky Jenner aus Pforzheim betritt die Bühne zunächst zu Gospel-Musik im Nonnen-Outfit. Das Gewand kommt aber schnell ab und offenbart rote Spitzendessous. Es folgt ein sehr aktiver Auftritt, der zum mitmachen einlädt. Kasey Klett aus München beeindruckt das Publikum und die Jury mit einer akrobatischen Performance zu „Eye of the Tiger“. Venom aus Tübingen beginnt ihre Performance von Ketten umhüllt auf dem Boden. Passend zu den feministischen Texten ihrer Lieder nimmt sie im Laufe ihrer Darbietung die Ketten ab und lässt sie fallen.
„Manchmal muss man einfach ins kalte Wasser springen“
Als Gewinnerin geht am Ende Drag-Queen Fat’ah Morgana hervor. Mit Schärpe und Krone auf dem Kopf bedankt sie sich bei der Jury und dem Publikum. Mit Tränen der Rührung in den Augen erzählt sie, dass sie beim letzten Drag-Contest vor einem Jahr zu dieser Gruppe und damit zu ihrer Familie gefunden habe. „Alles, wofür ich mich als Kind geschämt habe, dass ich zu laut bin, dass ich zu dick bin, dass ich einfach zu viel bin, das wird hier gefeiert“, zeigt sich Esslingens neuer „Rising Star of Drag“ dankbar.
Etwas später hilft sie ihrer Oma auf die Bühne und macht Fotos mit ihr und ihrer Tante. Sie fühle sich vor allem überwältigt, sagt Fat’ah Morgana. „Esslingen gehört mein Herz, und ich bin so dankbar, diese Stadt repräsentieren zu dürfen.“ Vor der Performance sei sie sehr nervös gewesen, auch in den Wochen zuvor, räumt Esslingens aufgehender Stern am Drag-Himmel ein. Doch mit einem sehr entschlossenen Blick fügt Fat’ah Morgana hinzu: „Manchmal muss man einfach ins kalte Wasser springen und das tun, was das Herz einem sagt – auch wenn der Kopf nicht davon überzeugt ist.“