Keine Schauspielerinnen und Schauspieler – echtes Medizinpersonal Foto: SWR/Volker Schrank

Der SWR blickt in „SOS Großstadtklinik“ in den Krankenhausalltag des Diakonie-Klinikums Stuttgart. Die neue Dokureihe ist ab heute in der ARD Mediathek abrufbar.

Stuttgart - Bedächtig bewegt sich die Kamera. „Eine Verwachsung – von einer Blinddarmentfernung“, stellt Barbara Kraft fest, die die Optik durch den Bauchraum eines Patienten bewegt. Die Chefärztin für Allgemein- und Viszeralchirurgie im Diakonie-Klinikum Stuttgart operiert einen Leistenbruch, wird ein Kunststoffnetz einbringen, um die Bruchpforte, also die Lücke in der Bauchwand, zu stabilisieren. Und das auf minimalinvasive Weise: Die Ärztliche Direktorin der Chirurgischen Klinik führt die OP durch kleinste Zugänge mit speziellen Instrumenten durch. Ein bisschen wie mit Stäbchen essen, schmunzelt sie. „Habe ich als junge Frau gerne getan.“ Die Vorteile dieser sogenannten laparoskopischen Chirurgie? „Kosmetisch schöner, weniger Schmerzen und weniger Risiko eines Narbenbruchs“, so Kraft.

Die Menschen stehen im Mittelpunkt

Szenen aus der neuen Dokureihe „SOS Großstadtklinik“ des SWR: 17 Remote-Kameras haben über acht Wochen hinweg sechs Pflegekräfte, zehn Ärztinnen und Ärzte sowie zwei Sanitäterinnen und Sanitäter auf vier Stationen im Diakonie-Klinikum begleitet, um den Klinikalltag aus deren Sicht zu zeigen. Dabei stehen die Menschen hinter dem Beruf im Mittelpunkt. Sehr persönlich erzählen sie über sich, ihre Gefühle, ihre Patientinnen und Patienten. In neun Folgen erlebt der Zuschauer hautnah, warum ihr Beruf „kein Nine-to-five-Job“ sein kann, sondern ein „wichtiger Teil“ des Lebens ist.

Trotz täglicher Herausforderungen und viel Verantwortung: Jede Entscheidung, jede Handlung hat Konsequenzen für Wohl und Wehe der Patientinnen. Wie teilt man eine schwere Diagnose mit? Was ist, wenn der Vater eines Kollegen operiert werden muss? Und was, wenn während der OP plötzlich harte Knochen zum Problem werden?

Ständiges Hinterfragen gehöre dazu, so Tamara Knopp, Pflegekraft auf der Onkologischen Intensivstation. „Wir dürfen nichts falsch machen!“ Auch nicht, wenn es hektisch wird, das kann „verheerende Folgen haben“. Kurz darauf empfindet der Zuschauer mit, wenn ein Patient mit der seltenen Krankheit Myelofibrose bei der Therapie Nebenwirkungen hat. Und lächelt unwillkürlich, wenn Hämatologin Susanne Jung sich über eine Postkarte eines einstigen Blutkrebspatienten freut, der einen Berg bestieg. „Geschafft!“

Lob für die Authentizität

Neu für die Klinikmitarbeitenden war es indes, im Frühjahr 2021 intensiv von einer Kamera begleitet zu werden. Gerade auch bei „Patientengesprächen, Untersuchungen und teilweise OPs“, so Lisa Fänger, Assistenzärztin im Fußzentrum. „Aber genau das gibt ja den Zuschauern am Ende einen guten Einblick.“ Möglich war die Produktion dank der ferngesteuerten Kameras und Bodycams. Sie ließen Johanna Kastner, Assistenzärztin in der Allgemeinchirurgie, schnell vergessen, dass man gefilmt werde. „Vor der Kamera zu stehen, ist gar nicht so aufregend, vielmehr, wenn man sich selbst anschließend im Gespräch mit Patienten und Kollegen sieht.“ Christian Hegner, Assistenzarzt in der Orthopädie und Unfallchirurgie, lobt die Authentizität, „die anstrengenden, aber auch die vielen schönen Seiten unseres Berufs zu zeigen“ und die gute Zusammenarbeit der Teams. „Die Zuschauer erfahren viel – über Patientenschicksale, über Erkrankungen und was moderne Medizin alles kann.“

Acht Wochen Recherche

DasSWR-Team um Eileen Fröhlich, Christine Kaufmann, Philipp Bitterling und Katja Matschinski, recherchierte acht Wochen, um in der Pandemie eine Klinik zu finden. Die Mitarbeiter der Produktionsfirma wurden regelmäßig getestet, nur wenige haben das Krankenhaus betreten – auf der Onkologie fanden täglich Covidtests statt. „Wir lesen oder hören so oft von all den Dingen, die schlecht laufen im Gesundheitswesen“, betont das Team. „Das wird den Menschen nicht gerecht, die dort aufopferungsvoll, im anstrengenden Schichtbetrieb, bei teilweise nicht so guter Bezahlung ihren Dienst versehen.“ In der Großstadtklinik werde die Perspektive gewechselt, durchs Schlüsselloch in einen besonderen Mikrokosmos geschaut, ohne Kommentare und Wertungen. Beeindruckt habe das Team, wie der Satz „Patienten sind hier nicht nur eine Nummer. Patienten stehen im Mittelpunkt und sind uns wichtig“, gelebt werde, etwa auf der Onkologie/Hämatologie, wo Krebspatienten meist lebensrettende Therapien bekämen. „All das war emotional unglaublich bewegend.“

„SOS Großstadtklinik“ ist in der ARD Mediathek abrufbar, ab 4. Oktober startet sie im SWR Fernsehen ab 20.15 Uhr mit einer Doppelfolge. Danach läuft sie jeweils montags ab 21 Uhr.