Nach 899 Shows verabschieden sich das „Aladdin“-Ensemble, die Musiker und alle Backstage-Mitarbeiter auf der Bühne. Foto: /ubo

Von dieser Dernière werden Musicalfans noch lange sprechen! Das Theater bebt, Tränen fließen, die Fans überraschen mit LED-Glanz und winken mit Tüchern zum Abschied. „Aladdin“ zieht weiter nach Madrid. Die Stage meldet bessere Umsätze als vor Corona.

Die toughe Theaterleiterin Constanze Müller hat schon viel erlebt in der Musicalwelt der Filderhöhen. Doch diese Nacht geht ihr noch stärker unter die Haut, als dies bei einer letzten Show ohnehin üblich ist, die immer etwas ganz Besonderes ist. Die Dernière aus Tausendundeiner Nacht sei geprägt „von Dankbarkeit“, sagt sie am Donnerstagabend in einer bewegenden Rede vor dem gleich von Anfang an jubelnden Publikum im ausverkauften Apollo-Theater.

Für die Stage Entertainment geht es nach Corona „rasant aufwärts“

Vier Jahre lang war Agrabah dank „Aladdin“ ein Vorort von Stuttgart. Anderthalb Jahre war die Show allerdings wegen Corona weg. Dann gelang es, „stärker denn je“ zurückzukehren. Nach dem Knock-out, berichtet Uschi Neuss, die Geschäftsführerin der Stage Entertainment Deutschland, geht es für ihr Unternehmen „rasant aufwärts“. Mit den neuen Zahlen habe man den Umsatz vom Rekordjahr 2019 vor der Pandemie überholt. Die Chefin spricht von einem „aufgestauten Nachholbedürfnis“, das dafür sorge, dass sich die Menschen wieder was gönnen wollten. Der Neustart der Mainstream-Kultur ist geglückt, was viele nicht für möglich hielten. Beim Umsatz spielt Stuttgart vorne mit. Die herausragende Cast von „Aladdin“ habe einen „sensationellen Schlussspurt hingelegt“, freut sich Stage-Sprecher Stephan Jaekel, der aus Hamburg angereist ist. Seit Tagen war’s ausverkauft. Die Märchenwelt braust auf im Farbenrausch – mit atemberaubenden Tempo!

Jetzt kann sich Maximilian Mann wieder die Haare wachsen lassen

Maximilian Mann tanzt, rockt, steppt und jodelt sich als glatzköpfiger Dschinni durch alle Musikgenres und beweist mit überschäumendem Temperament, warum er ein Publikumsliebling ist. Jetzt kann Max seine Haare sprießen lassen und gönnt sich eine Pause, bevor er sich was Neues sucht.

Aber auch alle anderen wachsen zum Abschied über sich selbst hinaus. Bei der allerletzten Show aus Agrabah bedankt sich der Fanclub nach fast vier Jahren auf besondere Weise: Auf den 1800 Sitzen liegen bunte Tücher, mit denen das Publikum beim Schlussapplaus eifrig winkt, sowie kleine LED-Leuchtsteine, die zur Szene des fliegenden Teppichs hundertfach erstrahlen. Das Theater wird zu einem einzigen Sternenhimmel, zum gigantischen Gänsehaut-Genuss.

Jedem Zauber, sagt man, wohnt ein Ende inne. „Ich könnt’ ewig so fliegen, schweben, taumeln und wiegen“, singt der Straßenjunge Aladdin, was beim letzten Mal noch intensiver klingt. Sein Teppich fliegt nach Madrid, wo die Stage Entertainment nun für Disney die Erfolgsshow produziert – mit den Kostümen und Kulissen aus Stuttgart, aber mit neuem Ensemble, das Spanisch singt.

Die Cast feiert nach der letzten Show ihren Abschied im Grace

Die Dernière ist für Theaterleiterin Constanze Müller auch deshalb so emotional, „weil viele tolle Kollegen uns verlassen“. Nun trennen sich die Wege von Menschen aus etwa 20 Nationen, die ein Multikulti-Miteinander vorgelebt haben, wie man sich’s auch abseits der Bühne im Land wünschen würde. Mehrmals fällt der Vorhang in dieser Nacht, mehrmals wird er hochgezogen, weil der Jubel nicht nachlassen will. Als er wirklich für immer bei Stuttgarts „Aladdin“ unten bleibt, stehen die Darstellerinnen und Darsteller noch lange dahinter, umarmen, drücken sich und weinen, wie Constanze Müller berichtet. Bis in den Morgen wird im Grace gefeiert.

Adieu, Aladdin! Mit 899 Vorstellungen hat es der arabische Spaß in die Top Sechs der Stuttgarter Musicals geschafft. Platz eins gehört, na klar, „Tanz der Vampire“ (wird noch bis Herbst im Palladium gespielt), auf Platz zwei folgt „Miss Saigon“. Das erste Stuttgarter Musical kam von 1994 bis 1999 auf 2085 Vorstellungen. „Mamma Mia“ steht mit zwei Spielzeiten und insgesamt 1918 Aufführungen auf Platz drei. Der vierte Platz geht an „Die Schöne und das Biest“ (1260 Shows) vor „Tarzan“ (1064 Vorstellungen), der im Herbst nach Stuttgart zurückkehrt.

Wann kommt die Eiskönigin nach Stuttgart?

Die Fans der Vampire buchen eifrig Shows mit ihrem jeweiligen Lieblings-Krolock (Mathias Edenborn ist von März bis Juli dran). Und das Musical um Tina Turner, das am 16. März auf „Aladdin“ folgt, schickt sich laut Jaekel an, „Musicalrekorde zu knacken“. Wann kommt die Eiskönigin nach Stuttgart? Laut Stage erst, wenn „Frozen“ in Hamburg zu Ende gespielt habe. Kann dauern, sollte der nach Corona neu erwachte Musicalhype anhalten. Die Menschen wollen in harten Zeiten heile Welt tanken und sich verzaubern lassen. So viele begeisterte Gesichter hat man bei der Dernière gesehen, als bestehe doch Hoffnung auf ein besseres Leben.