Model und Influencerin Maritta Krehl in dem roten Dirndl, das sie aufs Stuttgarter Frühlingsfest ausführen wird. Foto: Maritta Krehl/privat

Braucht die Wasengängerin, die etwas auf sich hält, zwei Dirndl? Eins fürs Volks- und eins fürs Frühlingsfest? Und wie schaut die Trachtenmode für dieses Frühjahr aus? Experten geben Antworten.

Im Frühling ist die Münchner Theresienwiese nur eine große leere Brache. 200 Kilometer weiter nordwestlich aber, auf dem Cannstatter Wasen, drehen sich Riesenrad und Kettenkarussell, gibt es Zuckerwatte und gebrannte Mandeln und es wird in den Festzelten gefeiert. In Stuttgart ist zweimal im Jahr Wasenzeit. Doch braucht eine Wasengängerin, die modisch etwas auf sich hält, deshalb auch gleich zwei Dirndl?

Nicht unbedingt, findet Sonja Grau, Personal Shopperin aus dem bayerischen Senden: „Mit ein bisschen Feintuning kann man ein klassisches Dirndl ganz einfach auf Frühling trimmen.“ Das beginnt bei der Schürze: „Davon kann man gerne zwei haben – eine Beerenfarbene für den Herbst zum Beispiel und eine Roséfarbene für den Frühling.“ So könne die Dirndl-Trägerin ihren Look variieren, ohne gleich in ein ganz neues Trachtenkleid zu investieren, das ja bei 300 Euro aufwärts preislich erst anfängt.

Im Frühling sind Dirndl in Pastellfarben schön. Foto: Angermaier Trachten/ULRICH HARTMANN

Das i-Tüpfelchen und ein geschickter Kniff, um dem Gesamtlook einen frühlingshaften Dreh zu geben: Ein Blumenkranz im Haar. „Luftige, zarte Blumen in hellen Tönen geben dem Outfit gleich eine gewisse Frische“, sagt die Trachtenexpertin.

Pastellige Töne für den Frühling

Wer aber Lust auf ein neues Dirndl verspürt, liegt in diesem Frühjahr mit pastelligen Tönen bestimmt richtig. „Pfirsich, Vanille, Rosa oder ein heller Aquaton sind typische Farben für Frühlings- und Sommermodelle“, sagt Axel Munz, der Geschäftsführer des Trachtenmodeunternehmens Angermaier. Harmonisch sieht dazu eine Schürze im selben Farbton, gern eine Schattierung heller oder dunkler, aus. Aber auch Colorblocking ist erlaubt: Dem Dirndl in Altrosa gibt beispielsweise eine lindgrüne Schürze den Frischekick.

Sonja Grau aus dem bayerischen Senden ist Personal Shopperin. Foto: Sonja Grau/privat

Model und Influencerin Maritta Krehl ist oft auf dem Cannstatter Wasen. Ausgestattet wird die Reutlingerin dabei von verschiedenen Dirndlherstellern wie Krüger oder Angermaier. „Zum Frühling passen helle, freundliche Farben“, weiß Maritta Krehl und hat sich deshalb in diesem Jahr für ein Dirndl in einem frischen Blauton entschieden. Dazu wird sie eine blaue Bluse mit bestickten Puffärmeln tragen. Ein zweites Modell hat die Influencerin, die man unter anderem aus dem Reality-TV-Format „Sommerhaus der Stars“ kennt, auch noch parat: in einem satten Rot.

Bei den Dirndlblusen geht der Trend weg von hochgeschlossen, hin zu dekolletierteren Schnitten. Langärmelige, am Arm eng anliegende Blusen – häufig aus Spitze – werden abgelöst, erklärt Munz. „Luftige Flügelärmel kommen zurück.“ Diese Entwicklung beobachtet auch Sonja Grau: „Die Blusenmode aus den 1980ern bekommt ein Revival. Ganz aktuell sind jetzt auch wieder Puffärmel.“ Gegen Gänsehaut in der Schlange vor dem Bierzelt helfen leichte Strickjäckchen in zarten Tönen wie Salbei oder Flieder.

Axel Munz ist der Geschäftsführer bei Angermaier. Foto: Angermaier Trachten

Mini-Dirndl sind längst passé

Absolute Einigkeit herrscht bei Grau und Munz übrigens beim Thema Mini-Dirndl: Es ist (und bleibt) out. „Midi ist Trend und wird es auch bleiben“, sagt die Personal Shopperin. Axel Munz ist derselben Meinung: „50er-Längen sind wirklich gar nicht mehr aktuell.“ Der Angermaier-Chef sieht sogar noch längere Dirndlröcke im Kommen: „Wer ganz vorn mit dabei sein will, greift zu einer 70er oder sogar 80er-Länge.“

Bleibt nur noch die ewige, mit Leidenschaft debattierte Frage, ob Tracht überhaupt eine Tradition hat in Stuttgart. Anno 1831 gingen die Häberles oder Kächeles zwar in ihrem besten Festtagsgewand auf den Cannstatter Wasen – aber ganz bestimmt nicht in Dirndl und Lederhose, wie das Wasenvolk sie heute trägt. Der Brauchtumsexperte Wulf Wager weiß, dass die Trachtenmode vor rund 25 Jahren in Cannstatt Einzug hielt: „In Stuttgart ist der Wasenwirt Hans-Peter Grandl Ende der 1990er Jahre hergegangen und hat seinen Gästen gesagt: Auch wenn mein Zelt voll ist – wenn ihr Tracht anzieht, kommt ihr trotzdem rein. Das war der Beginn eines Booms.“ So kamen also Dirndl und Krachlederne auf den Wasen – alles nur wegen eines findigen Festzeltwirts.

Und was tragen die Männer?

Rein in die Krachlederne
„Eine klassische, stilvolle Kombination für Herren“, sagt die Trachtenexpertin Sonja Grau, „ist die Lederhose – getragen mit einem weißen oder karierten Hemd mit Trachtenknöpfchen, einer Trachtenweste und einem Nickituch um den Hals.“

Statistik
„Haben Sie schon einmal Tracht getragen?“, fragte YouGov 2023 über 2000 Menschen in Deutschland. Bei 61 Prozent der Männer lautete die Antwort Nein, bei Frauen verneinten 58 Prozent. Je jünger die Befragten, desto eher waren sie schon einmal in Dirndl oder Lederhose geschlüpft: Bei den 25- bis 31-Jährigen hatten 31 Prozent schon mal Tracht zu einem Fest oder einer Veranstaltung getragen, 19 Prozent hatten ein Dirndl oder Krachlederne zumindest schon einmal anprobiert.