Radikal digital ist der Kurs an der Gemeinschaftsschule Innenstadt. Foto: Roberto Bulgrin

Die Esslinger Gemeinschaftsschule Innenstadt setzt beim Lernen und Lehren konsequent auf Digitalisierung. Derweil ist aber der Streit zwischen Stadt und Land um die Finanzierung der Dienst-iPads für Lehrerinnen und Lehrer noch nicht geklärt.

Nur der Witz der Woche steht noch in der Kreide: „Was macht der Clown im Büro? Faxen.“ Ansonsten hat die Schiefertafel ihre Schuldigkeit getan, ähnlich wie die geringfügig jüngere Fax-Technik und die analogen Clowns. Äußerst ernst nimmt man die Digitalisierung in der Esslinger Gemeinschaftsschule Innenstadt. „Individualisiertes Lernen“, wie Schulleiterin Christel Binder formuliert, ermöglicht den Schülerinnen und Schülern an der früheren Realschule eine relativ späte Weichenstellung in der gesamten Dreifaltigkeit vorgegebener Schulkarrieren: für den Haupt- oder den Realschulabschluss und – seit der Einführung der gymnasialen Oberstufe im Schuljahr 2021/22 – das Abitur. Gegenüber dem dreigliedrigen Schulsystem mit seinen sozial selektiven Kollateraleffekten will die Gemeinschaftsschule ein Schritt in Richtung Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit sein. Auch die frühe Berufsorientierung ab Klasse acht ist im Hinblick auf die Gemeinschaft unterschiedlicher Bildungswege ein Schwerpunkt.

Nicht nur zur Qualifizierung der Schülerinnen und Schüler, sondern auch zur Erreichung dieser besonderen Ziele setzt man an der Gemeinschaftsschule Innenstadt auf digitales Lernen und Lehren – wobei der persönliche Kontakt trotzdem nicht zu kurz kommen soll, sagt Binder. In der gymnasialen Oberstufe werde aber „nun noch mit iPads gelernt“, erklärt die Schulleiterin. „Da sind alle Schulbücher drauf. Das gibt den Schülerinnen und Schülern die Freiheit, dort zu lernen, wo sie gerade sind.“ Diese Schülergruppe sei lückenlos von der Stadt mit den digitalen Endgeräten versorgt worden. In der Sekundarstufe 1 hingegen (bis zehnte Klasse) gebe es noch Rückstände bei der Ausstattung der Schüler, sagte Binder bei einem Schulbesuch von Sandra Boser, Staatssekretärin im Kultusministerium, Oberbürgermeister Matthias Klopfer, dem Esslinger Schuldezernenten Yalcin Bayraktar und der Grünen-Landtagsabgeordneten Andrea Lindlohr.

Allerdings könnte der flotte Digitalisierungskurs alsbald ins Schlingern geraten: Auf der Kippe stehen die iPads und der Support für die Lehrerinnen und Lehrer, seit sich das Land für nicht zuständig für die weitere Finanzierung erklärte und die Stadt nicht in die Bresche springen will (wir berichteten). „Es ist nicht hinnehmbar, dass den Kommunen weitere Kosten aufgebürdet werden. Und das auch noch für Personal, für das eindeutig das Land verantwortlich ist“, sagte der Esslinger Finanzdezernent Ingo Rust. Dabei gehe es künftig um einen Betrag von jährlich 75 800 Euro. Bisher kam das Geld in wesentlich größeren Tranchen für die Erst- und Neuanschaffung der Geräte aus den Corona-Fördertöpfen des Bundes und wurde vom Land an die Kommunen weitergereicht. Ende 2022 läuft die Regelung aus, die vereinbarte Neuregelung ab 1. Januar 2023 kam bisher nicht zustande. Sollte sie nicht rechtzeitig ausgehandelt werden, drohte Rust mit dem Einzug der Dienst-iPads der Esslinger Lehrkräfte durch die Stadt. Mittlerweile hat der Städtetag den Esslinger Vorstoß aufgegriffen. Es gebe noch keine Fortschritte in der Sache, sagte Klopfer jetzt. „Fragen Sie mich wieder in der Woche vor Weihnachten.“ Boser betonte immerhin, Land und Kommunen seien inzwischen „in einem guten Austausch“. Sie verwies aber auch darauf, dass grundsätzlich das Land für die pädagogische Arbeit bezahlen müsse, die Kommunen aber für die Schulen und deren Ausstattung. Bayraktar bedauerte, dass die Neuregelung nicht rechtzeitig getroffen wurde. Die Offensive der Stadt erklärte er mit mangelnder Resonanz auf der anderen Seite: „Wir hatten das Gefühl, dass wir nicht gehört werden.“