Verwaltungsgericht fordern, dass stadtweite Fahrverbote in Stuttgart geplant werden. Foto: dpa/Jens Büttner

Der politische Wille, von Fahrverboten abzusehen, wächst. Die Gründe dafür sind sehr nachvollziehbar. Gleichwohl darf die Justiz gerade in der Coronakrise nicht übergangen werden, meint StN-Auto Klaus Köster.

Stuttgart - Auf den ersten Blick wirkt die neuerliche Debatte über ein Fahrverbot für Euro-5-Diesel in Stuttgart mehr als skurril: Haben wir in dieser Zeit nicht andere Probleme als das letzte Mikrogramm Stickoxide hinter dem Stuttgarter Neckartor? Kann man momentan auch nur daran denken, die von Produktionsstopp, Kurzarbeit, Nachfrageeinbruch, Handelskonflikten und Technologiewandel schwer gebeutelte Autobranche auch noch durch eine Aussperrung ihrer Autos zu piesacken?

Rechtsstaat wird beiseite gedrängt

Die politische Ansage ist klar: Ministerpräsident Winfried Kretschmann erwartet, dass Fahrverbote nun nicht mehr erforderlich sein werden, nachdem die Luft in den vergangenen Monaten deutlich sauberer wurde. Dem steht die scheinbare juristische Formalie gegenüber, dass die Zuständigkeit für die Schadstoffgrenzwerte bei der EU liegt und die Gerichte bisher auf Fahrverbote bestehen – sofern es ohne sie nicht geht.

In diesen Zeiten, da im Eiltempo massive Freiheitsbeschränkungen verhängt werden, wirkt es geradezu kleinlich, auf die Zuständigkeit der Gerichte hinzuweisen – und doch ist es beruhigend, wenigstens im Kleinen zu sehen, dass der Rechtsstaat nicht komplett suspendiert ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich noch Fahrverbote kommen, dürfte angesichts der viel sauberer gewordenen Autos und der wirtschaftlichen Lage in der Tat stark gesunken sein – auch wenn die rechtsstaatlichen Kontrollinstanzen nicht außer Kraft gesetzt sind. Der Rechtsstaat ist manchmal schwerfällig, was die Corona-Bekämpfung behindert. Daher wird er derzeit beiseite geschoben. Doch die heutigen Nöte dürfen kein Vorwand sein, ihn auf Dauer auszuhebeln. Er beugt Machtmissbrauch vor und steht vernünftigen Entscheidungen nicht im Wege.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de