Vielfalt statt Einfalt: Rund 1200 Teilnehmer gehen in Stuttgart auf die Straße. Foto: dpa - dpa

Nach den Ausschreitungen in Chemnitz erhält eine klein angelegte Kundgebung für Vielfalt und gegen Rassismus plötzlich großen Zulauf. Die Menschen wollen Stellung beziehen. Parallel gibt es eine weitere Demo - mit anderer Stoßrichtung.

Stuttgart (dpa/lsw) Mehr als tausend Menschen haben am Freitag auf dem Stuttgarter Karlsplatz gegen Rassismus und für Vielfalt demonstriert. «Ich mache mir Sorgen darüber, dass wir wieder gegen Rassisten aufstehen müssen - wir müssen alles dafür tun, dass der rassistische Spuk ein Ende findet», forderte Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) mit Blick auf die Ereignisse in Chemnitz. Stuttgart sei gerade durch die Internationalität der Bewohner eine starke Stadt. Nach Angaben der Polizei nahmen rund 1200 Menschen an der Versammlung teil.

Parallel fand auf dem Marktplatz eine Kundgebung der konservativen Organisation «Demo für alle» statt, bei der laut Polizei rund 80 Teilnehmer gegen eine Frühsexualisierung von Kindern im Schulunterricht und für den Erhalt der klassischen Familie aus Mutter, Vater und Kindern protestierten. Ihre Kundgebung wurde demnach von lauten Protesten von bis zu 800 Menschen sowie einem großen Polizeiaufgebot begleitet.

Die Kundgebung «Gemeinsam Vielfalt leben» auf dem Karlsplatz war ursprünglich als kleine Veranstaltung mit 100 Teilnehmern angemeldet worden, sagte Organisator Holger Edmaier vom Projekt «100% Mensch». Aber dann sei es zu den Ausschreitungen und Aufmärschen Rechtsradikaler in Chemnitz gekommen. «Danach wollten immer mehr Organisationen bei uns mitmachen, Parteien, Initiativen, Musiker, Künstler - es war der Wahnsinn», sagt Edmaier. Tausende hätten sich auf Facebook zu der Veranstaltung angemeldet. «Der Druck innerhalb der Gesellschaft hat hier ein Ventil gefunden», vermutet der Veranstalter. «Gerade nach Chemnitz haben die Menschen das Bedürfnis, zu zeigen: Das sind nicht wir, was hier in diesem Land passiert.»

OB Kuhn pflichtete dem in seiner Ansprache bei: «Es ist notwendig, dass Stuttgart ein klares Zeichen gegen Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung setzt», sagte er. In Stuttgart lebten Menschen aus 170 Ländern, 42 Prozent hätten einen Migrationshintergrund, die Internationalität sei die große Stärke der Stadt.

Kuhn wandte sich auch gegen die AfD. «In Chemnitz hat sich klar gezeigt: Die AfD macht mit Neonazis gemeinsame Sache.» Auch die Debatte um die Absetzung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen kommentierte der OB. «In früheren Zeiten wäre er innerhalb von 15 Minuten entlassen worden - ohne Angabe von Gründen.» Kuhn räumte ein, dass Integration nicht immer einfach sei. «Aber wir selber haben in der Hand, ob sie gelingt.» Dazu müsse man miteinander sprechen, planen und Lösungen erarbeiten. Weitere Redner und Musikgruppen folgten - von Parteien und Gewerkschaften, aber auch von kulturellen Institutionen wie dem Stuttgarter Orchester der Kulturen.

Anders sah das auf dem Marktplatz aus - hier pfiffen ein paar hundert Demonstranten die Kundgebung der Organisation «Demo für alle» aus. «Ich freue mich, dass wir hier sind in Stuttgart, dem Geburtsort der «Demo für alle» - aber dass man uns abschotten muss, damit man uns nicht angreift, ist erschütternd», sagte Hedwig von Beverfoerde, die Gründerin des konservativen Vereins, angesichts umfangreicher Absperrgitter und dem großen Polizeiaufgebot.

Die Polizei begründete das Großaufgebot mit Erfahrungen aus früheren Jahren, als die «Demo für alle» noch sehr viel mehr Teilnehmer hatte. Da habe es immer wieder Verletzte und Festnahmen vornehmlich im linken Kader gegeben. Deshalb sei man so präsent. Stärke demonstrierte die Polizei unter anderem mit mehr als 30 Einsatzwagen, die auf dem Schillerplatz geparkt waren.

Die Stuttgarter AfD blieb nach eigenen Angaben allen Demos fern. Die Kundgebung von «Demo für alle» sei keine politische Veranstaltung und deshalb sei die Teilnahme des Kreisverbandes auch nicht angebracht, sagte dessen Vorsitzender Michael Milsch. «Es werden wahrscheinlich ein paar Mitglieder von uns hingehen, weil es Überschneidungen bei unseren Positionen gibt, aber nicht der Kreisverband.» Und zur Demonstration gegen Rechts sei man nicht angefragt worden. «Wir sehen aber auch keine Notwendigkeit zur Teilnahme - wir stehen generell gegen jede Form von Extremismus und politischer Gewalt.»