Jürgen Bernhardt betreibt die Firma BioTeSys im Life Science Center. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Esslingen diskutiert über die Zukunft des Life Science Centers. Es geht um die Frage, ob die städtische Immobilie verkauft werden soll oder nicht. Es zeichnet sich bereits eine Mehrheit ab.

EsslingenSchon lange wird darüber diskutiert, was aus dem Life Science Center (LSC) werden soll. Die Brutstätte für Biotechnologie ist den Kinderschuhen entwachsen – und hat sich zudem anders entwickelt als ursprünglich geplant. Mit einem Grundsatzbeschluss sollen nun die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Es geht um die Frage, ob die Stadt die Immobilie in der Schelztorstraße behalten oder ob sie sie an einen privaten Investor verkaufen soll.

Entscheiden soll der Gemeinderat in seiner Sitzung am 17. Dezember. In der jüngsten Sitzung des Verwaltungsausschusses hat sich aber bereits eine Mehrheit für einen Verkauf abgezeichnet. So sprachen sich SPD, CDU,Freie Wähler und FDP für eine Veräußerung der Immobilie aus, auch OB Jürgen Zieger favorisiert diese Variante. Einer der Gründe: Das LSC sei nicht zu dem Gründerzentrum geworden, das man sich gewünscht hatte. Eigentlich sollte es ein Inkubator für junge Firmen sein, in dem diese in der Anfangsphase aufgepäppelt werden und aus dem sie ausziehen, sobald sie auf eigenen Beinen stehen. Doch das hat sich in der Branche der Biotechnologie – auch an vielen anderen Standorten – als schwierig erwiesen.

Grund dafür sind unter anderem die hohen Auflagen für Biotechnologiefirmen. Sie müssen ihre Labore unter großem Aufwand und mit hohen Kosten zertifizieren lassen und haben daher in der Regel kein Interesse an einem Umzug. Zudem arbeiten sie oft mit langfristig angelegten Testreihen, die zwingend unter klinischen, gleichbleibenden Rahmenbedingungen ablaufen müssen – das ist bei einem Ortswechsel nur schwer sicher zu stellen. Darüber hinaus sind die Investitionskosten in ein Labor in dieser Branche hoch und die Etablierung am Markt dauert vergleichsweise lange.

Laut dem städtischen Wirtschaftsförderer Marc Grün gibt es noch weitere Gründe, die für einen Verkauf sprechen. So könnte ein auf Laborimmobilien spezialisierter Betreiber den Anforderungen der Mieter unter Umständen leichter gerecht werden als die Stadt. Zudem gebe es rechtliche Vorgaben, die einen Verkauf sinnvoll erscheinen ließen. Etwa das Subsidiaritätsprinzip: Demnach dürfen Kommunen Aufgaben nur dann übernehmen, wenn diese nicht anders – etwa durch private Unternehmen oder Einwohner – erfüllt werden können. Das sei beim Start des Life Science Centers der Fall gewesen, weil die Privatwirtschaft die Risiken, die mit einem solchen Gründerzentrum verbunden waren, nicht eingehen wollte. Doch nun sei das anders: Nach eigenen Angaben haben die Firmen im LSC inzwischen die Gewinnschwelle überschritten und sehen gute Zukunftschancen.

Dennoch könne trotz der aktuell guten Lage die Wirtschaftlichkeit des LSC in der Zukunft nicht garantiert werden, zudem stehen laut Grün Investitionen in Modernisierungen der Labore an. Es stelle sich die Frage, warum die Stadt diese Investitionsrisiken tragen solle. Zumal der Erlös bei einem Verkauf wieder in die Gründungsförderung investiert werden könnte – und damit in den ursprünglichen Zweck des Life Science Centers.

Auf der anderen Seite spricht auch einiges dafür, die Immobilie in städtischem Besitz zu belassen – wenn auch nicht mehr als Gründerzentrum, sondern als normale Gewerbeimmobilie. So könnten die hohen Entwicklungspotenziale der Biotechnologie dafür sprechen. Denn diese kann man laut Grün am besten erschließen, wenn die Stadt als verlässlicher Partner für gute Rahmenbedingungen und die Vernetzung der Firmen untereinander sorgt. Zudem könne sie als Eigentümerin am besten sicherstellen, dass die Immobilie auch künftig in ihrem Sinne genutzt wird. Auch stadtplanerisch könne sie besser steuernd eingreifen – und etwa verhindern, dass die Gewerbefläche des LSC in dem Mischgebiet zu Wohnraum werde.

Genau diese Punkte sind für Grüne und Linke ausschlaggebend: Sie stellten sich im Ausschuss gegen den Verkauf – sowie gegen jeglichen weiteren städtischen Flächenverkauf. Im Life Science Center selbst hat man sich offenbar noch keine Meinung gebildet: „Ich bin überrascht, dass das jetzt schon ansteht“, sagt Jürgen Bernhardt, Geschäftsführer von BioTeSys, einer der ältesten Firmen im LSC. Welche Zukunftsvariante besser sei, komme letztlich auf die Konditionen an, findet er. Klar sei aber: „Unser Standort in Esslingen ist nach wie vor sehr attraktiv“, so Bernhardt. Er sehe viel Wachstumspotenzial, unter anderem durch Kooperationen mit örtlichen Firmen anderer Branchen sowie mit der Hochschule – zumal, wenn diese mit dem Umzug in die Weststadt auch räumlich in unmittelbare Nähe rücke.

Das Life Science Center

Anfänge: Das Life Science Center Esslingen (LSC) wurde im April 2000 als Gründerzentrum in Betrieb genommen. Das Konzept bestand aus drei Säulen: Man stellte jungen Gründern der Biotechnologie-Branche Räume für Laborflächen zur Verfügung, unterstützte sie mit Wagniskapital aus einem eigens gegründeten Life Science Fonds und trat dem Netzwerk BioRegio Stern bei. Doch vor etwa zwei Jahren beschlossen die Gesellschafter des LSC, den Fonds vorzeitig auslaufen zu lassen, weil es inzwischen genügend andere Möglichkeiten gebe, an Risikokapital zu kommen. Auch die Mitgliedschafts in der BioRegio Stern wurde zurückgefahren. Nun ist die Frage, wie die Stadt mit der letzten Säule, den Räumen, umgeht.

Mieter: Nach Auszug der Anoxymer GmbH im Mai dieses Jahres sind derzeit vier Unternehmen im Life Science Center angesiedelt: Die Meidrix Biomedicals GmbH (ehemals Amedrix GmbH, ansässig seit dem Jahr 2009), die Bio Task AG (ansässig seit dem Jahr 2000), die BioTeSys GmbH (ansässig seit dem Jahr 2000) und die Micro-Biolytics GmbH (ansässig seit dem Jahr 2007). Die Unternehmen sind in den Bereichen Ernährung, Gesundheit und Analytik tätig.