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Einst hatten sie sich geliebt, doch mit den Jahren sind ihnen die Gefühle füreinander abhanden gekommen. Nun stehen Victor und Marianne vor den Trümmern ihrer Ehe.

EsslingenMit dem Glück ist das so eine Sache: Jeder strebt danach und möchte es für immer festhalten, doch irgendwann nimmt man das Schöne, Gute und Besondere selbstverständlich und hört auf, es zu hegen und zu pflegen. Und plötzlich ist das Glück dahin. Mancher würde gern die Zeit zurückdrehen. Im wahren Leben ist das ein frommer Wunsch. Im Kino sind Zeitreisen dagegen kein Hexenwerk – so wie in Nicolas Bedos’ warmherziger Komödie „Die schönste Zeit unseres Lebens“, die vielen Kinogängern die schönste Zeit beschert, die sie in langer Zeit im Filmtheater erleben durften.

Der Karikaturist Victor (Daniel Auteuil) ist mit den Jahren so bissig geworden wie in seinen Bildsatiren, weil er sich in unserer digitalen Welt zunehmend fremd fühlt. Und auch in seiner Ehe mit Marianne (Fanny Ardant) ist er unzufrieden – wenn er gefragt wird, welche Zeit er gern nochmals erleben würde, stellt er sie schon mal bloß: „In die Steinzeit, als ich noch Sex mit meiner Frau hatte.“ Als Psychoanalytikerin ist Marianne schwierige Menschen gewohnt, doch Victor treibt es derart doll, dass sie ihn auf die Straße setzt. Mariannes und Victors Sohn Maxime (Michaël Cohen) kann seine Mutter verstehen, doch irgendwie tut ihm sein Vater leid. Hilfe verspricht Maximes Freund Antoine (Guillaume Canet), der zahlungskräftige Kunden in einem perfekt eingerichteten Filmstudio Momente ihrer Vergangenheit nochmals erleben lässt. Victor entscheidet sich für das Jahr 1974 und den Tag, an dem er sich im Café La belle Epoque in Marianne verliebt hatte. Miesepetrig reist er ins Studio – und kann kaum glauben, dass dort der Sehnsuchtsort von einst perfekt nachgebaut wurde. Mehr und mehr lässt er sich von der Erinnerung mitreißen, zumal ihm mit der bezaubernden Schauspielerin Margot (Doria Tillier) ein Double der jungen Marianne gegenübersitzt, die ihm das Gefühl gibt, dass er die schönste Zeit seines Lebens erneut erleben darf. Plötzlich ist sie wieder da, die unbeschwerte Leichtigkeit des früheren Seins. Plötzlich versteht der geneigte Kinogänger, was Victor einst mit Marianne innig verbunden hat. Und bei alledem hat Antoine als Mastermind im Regieraum dieser Kunstwelt die Fäden in der Hand.

„Ich hatte diese Situation im Kopf – komisch und beklagenswert zugleich“, erinnert sich Regisseur Nicolas Bedos, wie ihm die Idee zum Drehbuch dieses humorvollen, originellen und zugleich anrührenden Films kam. „Ich stellte mir einen Mann in fortgeschrittenem Alter vor, der sich zu Hause nur noch mit seiner Frau streitet. Sie findet ihn unerträglich und wirft ihm vor, er würde sich dem Lauf der Zeit zunehmend verweigern. Ein Mann, der sich mit der Gegenwart herumquält und Geborgenheit in einer vergangenen, aber vertrauten Zeit sucht. Ich nehme diese Momente der Überforderung in meiner Umgebung immer häufiger wahr, genauso wie die Gegenstrategien, die urkomisch sein können. Ein kinotauglicher Stoff für eine Satire. Zumal ich in diesem Mann einige Menschen wiedererkenne, die mir nahestehen.“

Man spürt, wie viel Nicolas Bedos gerade an diesem Film lag. Das beginnt mit einer detailverliebten Ausstattung, die Victors Welt von 1974 so authentisch wie nur möglich wieder auferstehen lässt, um das Lebensgefühl einer Zeit lebendig werden zu lassen, in der sich die Welt noch ein bisschen anders zu drehen schien. Und das reicht bis zur vorzüglichen Besetzung: Mit Fanny Ardant als Ehefrau Marianne, die ihren Göttergatten hinter sich gelassen hat, und Doria Tillier als ihrem jüngeren Alter Ego setzen zwei starke Frauenfiguren Akzente. Da braucht es als Gegenpart schon einen so virtuosen Schauspieler wie Daniel Auteuil, der den vom Leben und von der neuen Zeit gebeutelten Victor überzeugend verkörpert. Und auch wenn er sich vordergründig gerne knorrig und durchaus auch mal sarkastisch gibt, spürt man doch, dass sich eine Frau in den Victor von einst durchaus verlieben konnte.

Ein Ehepaar hat sich in Nicolas Bedos ebenso origineller wie lebenskluger Komödie „Die schönste Zeit unseres Lebens“ auseinandergelebt. Doch eine Zeitreise an einen Sehnsuchtsort weckt Erinnerungen an das, was sie einst verband.