Am gut gefüllten Arbeitstisch: Johannes Kepler (Christoph Bach) nebst Gattin Barbara (Lena Drieschner) Foto: SWR/Gruppe 5 Film

Aus Weil der Stadt in Schwaben stammte jener Johannes Kepler, der vor 400 Jahren die Gesetze der Sterne und Planeten errechnete. Ohne seine Erkenntnisse wäre die moderne Raumfahrt undenkbar. Der TV-Sender Arte widmet ihm darum eine ganze „Nacht der Sterne“ – spannend!

Stuttgart - Wie setzt sich neue Erkenntnis durch? Im Grunde behandelt der TV-Sender Arte jeden Samstagabend diese Frage, denn das ist sein Sendeplatz für große Dokumentationen aus Wissenschaft und Forschung. Doch an diesem Samstag geht’s zu den Wurzeln: ein spannendes Dokudrama erzählt von Johannes Kepler, dem Mathematiker und Astronom aus Weil der Stadt in Schwaben, der just um die Wende zum 17. Jahrhundert am Hof der Habsburger-Kaiser in Prag die Gesetze des Weltalls und unseres Sonnensystems erforschte, dabei aber stets Gefahr lief, von den herrschenden Mächten aus Religion und Politik als Aufrührer und Gotteslästerer vernichtet zu werden.

„Dokudrama“ bedeutet, dass sich Spiel-, Erklär- und Interviewszenen abwechseln – das kann bei Wissenschaftsthemen gern auch mal nervig sein; vor allem, wenn die Spielszenen wie leider häufig in BBC-Produktionen sehr klischeehaft wirken. Das ist bei der SWR-Produktion „Johannes Kepler, der Himmelsstürmer“ zum Glück völlig anders; der Regisseur Christian Twente („Uli Hoeneß – der Patriarch“, „Stunden der Entscheidung – Angela Merkel und die Flüchtlinge“) ist zweifellos ein Meister dieses Fachs. Die Rolle Keplers ist mit dem Schauspieler Christoph Bach ebenso hochklassig wie glänzend besetzt; die Spielszenen haben das Format eines großen Fernsehfilms.

Zwischen neuer Wissenschaft und Hexenwahn

So entfaltet sich von Anfang an das spannende Panorama einer Zeit, in der einerseits schreckliche Krankheiten, Krieg und heftige Klimaschwankungen („die kleine Eiszeit“) die Menschen in Aberglauben und Hexenwahn treiben – und andererseits Forscher wie Johannes Kepler oder der dänische Mathematiker Tycho Brahe versuchen, allein mit den Mitteln der Vernunft unser aller Platz im Kosmos neu zu bestimmen. Faszinierend: Die Forschungsgegenstände, denen sich Brahe und Kepler widmen, die Sterne und Planeten, könnten ihnen ferner nicht sein. Noch dazu ist Kepler seit Kindertagen sehbehindert und kann die wenigen bereits bekannten Instrumente zur Himmelsbeobachtung selbst kaum nutzen. Nein, die Gesetze der Planetenlaufbahnen und der Sternensystems errechnet er sich allein mit den Mitteln der Mathematik, die er einst an der Universität Tübingen erlernt hat – als Student der Theologie.

Ohne den Horizont von Keplers Gesetzen, das machen die befragten Experten und der Regisseur sehr deutlich, wäre die moderne Raumfahrt undenkbar. Zu den Bildern vom Start einer Weltraumrakete kann man mühelos aus Keplers Erzählung (!) „Der Traum oder Mond-Astronomie“ zitieren, die er 1609 verfasste. Das Phänomen und die akuten Reisefolgen der Schwerelosigkeit beschreibt er hier so klar und nachvollziehbar, wie es selbst unser grandioser Astronaut Alexander Gerst nach seinen Touren kaum besser könnte. Und gleichzeitig bleibt Kepler doch zeit seines Lebens auch fest verstrickt in seine Zeit – für Habsburgs General Wallenstein muss er Horoskope verfassen. Und sechs Jahre lang kämpft er um den Freispruch seiner Mutter, die in Weil der Stadt als Hexe angeklagt und vermutlich auch der Folter ausgesetzt ist. Seine Mutter war es einst gewesen, die dem kleinen Jungen 1577 des Nachts einen Kometen und 1580 eine Mondfinsternis gezeigt hatte – und ihn vermutlich gerade so zum späteren Himmelsstürmer machte.

Arte ergänzt diese Filmpremiere mit zwei Dokumentationen: „Sonnenstürme – Die rätselhafte Gefahr“ und „Auf zum Mars!“. Kurz vor Mitternacht kann sich der Zuschauer dann in einer vermutlich lauen Hochsommernacht ganz den eigenen Sternenträumen widmen. Voller Respekt vor einem weltverändernden Forscher aus dem kleinen Weil der Stadt.

Arte, 8. August, ab 20.15