Das klassische Konzert folgt überkommenden Ritualen und ist eines der letzten Reservate des schwindenden Bürgertums. Wenn es sein Image nicht auffrischt und sich erneuert, ist es bald Geschichte.
Ein Konzertsaal in Stuttgart am 29. Juni 2045: Der 40-jährige Ludwig van Beethoven betritt die Bühne, schaut kurz missgelaunt ins Publikum, bewegt sich gemächlich zum Flügel, setzt sich. Er ist der Solist in seinem vierten Klavierkonzert, das er zusammen mit dem International Alias Orchestra geben wird. Einen Dirigenten braucht er nicht. Später wird er auch seine 5. und 6. Sinfonie selbst leiten, außerdem Teile seiner Messe in C-Dur sowie seine Chorfantasie – wie bei der Uraufführung im Dezember 1808 in Wien. Das Publikum ist begeistert. Alles so schön echt hier – sogar Beethovens spektakuläre Improvisationen in den Solokadenzen! Kein Wunder, die wurden von Künstlicher Intelligenz stilgerecht errechnet. Und klar: Das Publikum schaut Avataren zu – wie die vielen Fans, die seit 2022 in London endlich wieder Konzerte von ABBA hören können, weil die Popgruppe a. D. ihr Comeback in Gestalt verjüngter Hologramme feierte.
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