Die Johanneskirche wird wohl am 15. März 2020 entwidmet. Quelle: Unbekannt

Ein Gemeindezentrum soll anstelle der Johanneskirche im Wendlinger Stadtzentrum entstehen. Dort wird die Bruderhaus-Diakonie eine betreute Tageseinrichtung für Menschen mit Behinderung betreiben. Der charakteristische Turm wird aber stehen bleiben.

WendlingenDer charakteristische Turm und die Natursteinfassade werden von der alten Johanneskirche im Wendlinger Stadtzentrum bleiben. Ein Zeichen, dass trotz des Neubaus die alte Kirche nicht vergessen wird. Und auch sonst sollen sich viele Elemente aus der bisherigen Kirche in dem Neubau wiederfinden, die die Kirchengemeinde gemeinsam mit dem Architekturbüro Drei Architekten plant. So werden zum Beispiel ein Teil der Kirchenfenster, die Eingangstür sowie das Holzkreuz auch im neuen Gemeindezentrum Verwendung finden.

Die Idee für eine neue Kirche geht auf das Jahr 2006 zurück, sagt Hans-Georg Class, Erster Vorsitzender des Kirchengemeinderates. Damals sei die Fusion der evangelischen Kirchengemeinden von Unterboihingen und Wendlingen zwar begrüßt worden, „aber es hieß vom Oberkirchenrat, wir sollten uns Gedanken machen, was mit den Gebäuden passieren sollte. Wir hatten damals zwei Gemeindehäuser und natürlich auch zwei Kirchen.“ Aufgrund des demografischen Wandels und der Tatsache, dass immer weniger Menschen Mitglied in der Kirche seien, habe man schließlich überlegt, beide Gemeindehäuser zu verkaufen. „Wir hatten Glück, dass die Stadt gerade ihre Kitaplätze ausbauen musste“, sagt Class. In den ehemaligen Gemeindehäusern befinden sich laut Class jetzt Kindergärten in städtischer sowie in kirchlicher Trägerschaft. „Ich glaube, das war auch versöhnlicher für die Gemeinde, als wenn da irgendwelche Geschäfte eingezogen wären.“

Zukunftsfähige Gemeinde

Für die Zukunftsfähigkeit der Gemeinde sei es außerdem besser, nur noch eine Kirche zu haben – in der Stadtmitte. „Durch den Verkauf hatten wir schon eine Finanzierungsgrundlage, also ließen wir erst einmal ein Gutachten erstellen, ob sich ein Aus- oder Umbau der bestehenden Johanneskirche lohnen würde, oder ob ein Neubau sinnvoller wäre“, erinnert sich Class. Das Ergebnis: Ein Umbau oder Ausbau wäre nicht sinnvoll, da aufgrund des großen Bauvolumens die Folgekosten enorm seien. Außerdem müsse das gesamte Areal alleine bewirtschaftet werden. Ein finanzieller Kraftakt.

„Es ist also sinnvoll, sich einen Partner an Bord zu holen“, so Class. Im Fall der Kirchengemeinde sei das die Bruderhausdiakonie aus Reutlingen. Die Einrichtung soll einen Teil des Gebäudes pachten, um dort eine Tageseinrichtung für Menschen mit Behinderung zu betreiben. Man würde mit diesem Plan „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, erklärt Class. Zum einen würden die Pachteinnahmen helfen, zum anderem werde die Kirche damit aber auch ihrem Selbstverständnis als Kirche für alle gerecht.

Vertreter der Kirchengemeinde und der Bruderhausdiakonie haben kürzlich gemeinsam den Bauantrag beim Esslinger Landratsamt abgegeben. „Man ist auf einem guten Weg“, findet Class.

Doch es war kein leichter Weg. „Der Prozess der Planung dauert schon zehn Jahre. Auch, weil wir uns intensiv mit den Baugegnern auseinandergesetzt haben“, so Class. Zahlreiche Wendlinger – unter anderem die Erbauer der heutigen Kirche – hätten sich gegen einen Neubau gewehrt. „Ich kann gut verstehen, dass man eine Kirche erhalten will, in die man sein Herzblut gesteckt hat.“ Um das Jahr 2015 herum kamen die Planungen für das neue Gemeindezentrum vorerst zum Erliegen. Die Gegner hatten ein Bürgerbegehren organisiert. „Das war aber nicht erfolgreich. „Das hat uns gezeigt, dass es keine Masse an Baugegnern gibt.“ Als dann im Oktober dieses Jahres bei einer Gemeindeversammlung die Pläne vorgestellt wurden, habe es kaum mehr Gegenstimmen gegeben. „Da hat man einfach eine große Lust auf das neue Gebäude gespürt.“

Sakraler Saal

Auch wenn das Gemeindezentrum keine Kirche im eigentlichen Sinne werden soll, wird es einen sakralen Gemeindesaal geben. „So können wir vielleicht irgendwann mal Winterkirche dort machen oder die Bewohner der Einrichtung nebenan besser einbinden“, sagt Class. Ein ungeplanter Pluspunkt: Das Gemeindezentrum wird von den gleichen Architekten geplant wie zum Beispiel das Stadthaus. „Das heißt, das Gemeindezentrum wird das Stadtensemble schön abschließen.“

Wenn das Landratsamt die Baupläne genehmigt, soll am 15. März die Johanneskirche feierlich entwidmet werden. Dafür habe man einen Gesprächskreis mit Menschen gebildet, denen die Johanneskirche sehr am Herzen liegt. Danach soll ein langsamer Rückbau stattfinden, bis im Sommer die Gebäudehülle verschwindet. „Wir hoffen, dass wir bis Ende 2022 fertig werden“, sagt Class. „Vielleicht entspannt sich die Lage mit der Verfügbarkeit von Bauunternehmen dann ja auch ein wenig.“ Nichtsdestotrotz seien die Baukosten durch die Verzögerungen enorm gestiegen. Eine konkrete Zahl möchte Class nicht nennen. Aber der Oberkirchenrat habe einen weiteren Zuschuss genehmigt. Dennoch müsse ein Teil über Spenden und Fundraising-Projekte finanziert werden. Darum, so Class, sei es eine doppelte Freude, dass Wendlingen ab dem 1. Januar 2020 wieder einen geschäftsführenden Pfarrer hat. Peter Brändle, der derzeit in Ostfildern tätig ist, übernimmt die Gemeinde, die seit dem Sommer ohne einen geschäftsführenden Pfarrer dastand.

Bevor die Baugenehmigung für das Gemeindezentrum in der Wendlinger Stadtmitte erteilt ist, soll im Übrigen kein Bagger rollen. „So lange wird der Abrissbeschluss ausgesetzt“, so Class. Ein Zugeständnis an die Baugegner. Und ein Zeichen, dass das erste evangelische Gotteshaus im ehemals rein katholischen Stadtteil Unterboihingen nicht „einfach so“ abgerissen wird.