Ein Großaufgebot rückte in Esslingen an, als ein 61-Jähriger den Sohn seines Vermieters erschoss und in dem Haus Feuer legte. Foto: /SDMG / Kohls

Die Kriminalpolizei im Kreis Esslingen hatte im ablaufenden Jahr 2024 alle Hände voll zu tun. Allein in den letzten Wochen wurden fünf Menschen bei Gewaltverbrechen getötet. Und es sind nicht die einzigen Leichen, die gefunden wurden.

Die Bevölkerung ist geschockt. Die Ereignisse der letzten Wochen sind aber auch für die Ermittler eine große Herausforderung. „Mehrere schnell aufeinanderfolgende, aber voneinander unabhängige Tötungsdelikte im Kreis Esslingen halten die Kriminalpolizei derzeit in Atem“, bilanziert Andrea Kopp, Sprecherin des Polizeipräsidiums Reutlingen, zu stemmen sei das nur mit vereinten Kräften. Mehrfach mussten Sonderkommissionen mit mehreren Dutzend Beamtinnen und Beamten eingerichtet werden. „Da gibt es keinen Feierabend und kein Wochenende“, beschreibt Kopp die Arbeitsbelastung. Auch nach einer Festnahme sei noch viel penible Ermittlungsarbeit nötig, bis ein Verfahren beweissicher abgeschlossen und später eine Anklage möglich sei. „Nicht zu unterschätzen ist auch der Umstand, dass wir es mit unglaublichen, menschlichen Schicksalen zu tun haben, mit denen die Kolleginnen und Kollegen hautnah konfrontiert sind und mit denen sie umgehen müssen“, so Andrea Kopp.

Der Fall Luca S. Am 14. November hatte ein 61-jähriger Mann den Sohn seines Vermieters erschossen, danach Feuer in dem Haus in der Esslinger Innenstadt gelegt und sich selbst getötet. Am nächsten Tag hätte die Zwangsräumung der Wohnung vollstreckt werden sollen. Der Tod von Luca S. löste überregional Entsetzen aus. Der Vater erhebt nach der Tat schwere Vorwürfe gegen die Behörden: Sein Sohn, der nur 31 Jahre alt wurde, könnte noch leben, hätte die Polizei früher eingegriffen. Inzwischen prüft die Staatsanwaltschaft in Heilbronn die Vorwürfe. Der 76-jährige Hauseigentümer selbst konnte vom Balkon seines Hauses Am Kronenhof gerettet werden. Lucas Freundin verletzte sich schwer beim Sprung aus dem brennenden Haus.

Ein Großeinsatz in Esslingen-Zell am 3. Dezember sollte wohl verhindern, dass sich eine solche Tat wiederholt. Sprengstoffexperten durchsuchten das Haus eines 53-Jährigen, der zuvor Nachbarn mehrfach bedroht hatte. Gefährliche Stoffe oder Waffen wurden aber nicht gefunden.

Tötungsdelikte Im Oktober wurde der Leichnam einer Frau in Nürtingen aus dem Neckar gezogen. Ein Geflüchteter, der in Oberboihingen in einer Unterkunft wohnte, wurde wenig später von der Polizei verhaftet. Der 37-jährige Iraner wird dringend verdächtigt, die 66-jährige Sprachlehrerin getötet zu haben. Angesichts der wilden Spekulationen über die mutmaßlichen Hintergründe richtete Nürtingens Oberbürgermeister Johannes Fridrich wenige Tage nach der Tat mahnende Worte an die Öffentlichkeit und forderte unter anderem mehr Respekt für das Opfer.

Bluttat auf offener Straße in Hochdorf

Nur wenige Wochen später passierte in Hochdorf eine weitere Bluttat. Auf offener Straße und am helllichten Tag. Am 15. November verletzte ein 24-jähriger Mann mit afghanischem Pass einen 56-Jährigen mit einem spitzen Gegenstand so schwer, dass er noch vor Ort starb. Der mutmaßliche Täter wurde wenig später von der Polizei festgenommen. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Laut Polizei haben sich die Männer nicht gekannt und sollen auch keine Verbindung zu einer nahe gelegenen Asylbewerberunterkunft haben. Mit Verweis auf ein laufendes Verfahren gibt die Polizei derzeit keine weiteren Auskünfte, auch nicht über ein mögliches Motiv. Das gilt auch für die anderen Tötungsdelikte.

Im November wird ein Mann in Hochdorf von einer 24-Jährigen getötet. Foto: SDMG// Kohls

Am 11. Dezember wurde ein 62-Jähriger tot in seiner Wohnung in Kirchheim entdeckt. Inzwischen hat die Polizei einen 40-Jährigen festgenommen, der für den gewaltsamen Tod verantwortlich sein soll. Er sitzt in Untersuchungshaft. Die Männer sollen sich gekannt haben. In der gleichen Woche wurde in Denkendorf der Leichnam eines 81-Jährigen entdeckt. Der 49-jährige Sohn gilt als dringend tatverdächtig und wurde festgenommen. Er kam in die Psychiatrie.

Leblose Personen gefunden Im März wurde eine 70-jährige Frau tot aus dem Rossneckar-Kanal gezogen. Die Ermittler gehen von einem tragischen Unfall aus. Aus dem Neckar beim Esslinger Landratsamt wurde Anfang Mai die Leiche einer Frau geborgen. Dass es sich um eine 46-Jährige handelte, hatte die Polizei erst Tage später herausgefunden, als eine Vermisstenanzeige einging. Hinweise auf Fremdeinwirkung gebe es nicht. Anfang November wurde ein 65-jähriger Obdachloser schwer verletzt im Esslinger Maillepark gefunden. Er starb wenig später. Die Ermittlungen ergaben, dass er gestürzt war.

Mutmaßliche Brandstiftungen Als Anfang September gut 200 Strohballen auf einem Feld bei Unterensingen in Flammen standen, war das der bisherige Höhepunkt einer Brandserie auf Äckern der Gegend. Der Schaden wurde auf 30 000 Euro geschätzt. Die Polizei arbeitet weiter an dem Fall. Auch Untersuchungen zu einer Brandserie in Reichenbach, die 2023 begonnen hatte, laufen weiter auf Hochtouren. Um einen Ermittlungserfolg nicht zu gefährden, nennt die Polizei aber derzeit keine Details.

Gerichtsprozesse Ein Auto rast auf einen Fußgänger zu. So geschehen im Februar dieses Jahres vor einem Supermarkt in Neckartenzlingen. Dort wollte ein heute 29-Jähriger einen 22-jährigen Bekannten überfahren, der aber zur Seite springen konnte. Im September verurteilte das Stuttgarter Landgericht den Fahrer wegen versuchten Mordes zu vier Jahren und neun Monaten Haft. Wegen der blutigen Attacke im Sommer 2023 vor dem Wendlinger Polizeirevier wurde im März ein 22-Jähriger wegen schwerer und gefährlicher Körperverletzung zu acht Jahren Haft verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Mann aus Eifersucht seiner 31-jährigen Freundin mit einem Werkzeug das Gesicht entstellen wollte. Unter anderem wegen versuchten Mordes verurteilte das Landgericht im Juli einen 25-Jährigen zu 13 Jahren Haft. Nach Überzeugung der Kammer hatte er 2023 eine 26-jährige Bekannte in ihrer Wohnung in Nürtingen überfallen.

Kurioser Überfall Ausgerechnet ein Blumenladen wurde in Esslingen-Zell im Juli gleich zwei Mal überfallen. Doch der Täter hatte nicht mit der Wachsamkeit der Nachbarn gerechnet. Beim ersten Mal erbeutete der Täter von einer Mitarbeiterin mehrere Hundert Euro. Als Inhaberin Renate Lang wenige Tage später dem bewaffneten Mann wieder gegenüber stand, konnten sie und der herbeigeeilte Gemüsehändler Turan Hüner ihn aber mit Blumendraht fesseln. Der 26-Jährige, der einschlägig bekannt ist, wurde von der Polizei festgenommen und sitzt in Untersuchungshaft. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung ermittelt. Die Waffe stellte sich als Schreckschusspistole heraus.