Charles Leclerc hat sich die Saison 2022 ganz anders vorgestellt. Foto: dpa/Joan Monfort

Siege in Monza sind zuletzt rar gewesen, und der letzte rot gekleidete Formel-1-Weltmeister war Kimi Räikkönen – im Jahr 2007.

Fünf Mal stand Michael Schumacher in Monza als Sieger auf dem Podest – und machte die Italiener glücklich. Weil er bei diesen Erfolgen Ferrari-Pilot war und beim Erklingen der italienischen Hymne immer etwas steif, doch aber sehr engagiert die Bewegungen eines Dirigenten imitierte. Italien hatte den Rennfahrer aus Kerpen sozusagen adoptiert, ihn liebevoll Michele genannt. Und es war Usus, dass an der Rennstrecke im Königlichen Park der Ferrari-Boss Luca di Montezemolo höchstpersönlich auftauchte – mit präsidialen Auftritten. Der Italiener hatte viel zu besprechen mit dem deutschen Piloten und dem französischen Teamchef Jean Todt. Und wenn das Treffen der großen drei dann noch am Sonntag mit einem Rennsieg abgerundet wurde, war von Como bis Palermo das Glück perfekt.

Nichts zu feiern

Wenn die Bella Macchina, also die rote Rakete aus Maranello, in Monza siegte, fielen stets drei Feiertage aufeinander. Doch nach der großen roten Ära, in der Schumacher fünf seiner sieben WM-Titel gewann, kam nicht mehr viel nach. Der letzte Ferrari-Weltmeister war Kimi Räikkönen 2007, das ist 15 Jahre her. Und sonst? 2010 siegte noch einmal Fernando Alonso im Ferrari in Monza, und 2019 machte Charles Leclerc die rote Party ein weiteres Mal perfekt. Doch abgesehen von diesen Gelegenheitserfolgen tragen sie in Monza zwar zu Tausenden ihre roten Kappen, aber zu feiern haben sie im Prinzip seit 15 Jahren fast nichts: nur zwei Monza-Siege – und keinen Titel.

Am Sonntag ist wohl wieder nicht mit einem Ferrari-Erfolg nördlich von Mailand zu rechnen. Die Scuderia war stark in die Saison gestartet, hat danach aber zügig abgebaut und sich eine imposante Fehlerkette mit neun Patzern geleistet. Sich dessen gewiss, hat Charles Leclerc vor der Wettfahrt am Sonntag vorsorglich die weiße Fahne gehisst. „Auf dem Papier ist Monza für uns nicht die beste Strecke“, sagt der Monegasse nach Platz drei zuletzt in den Niederlanden und fügt fast schon etwas frustriert hinzu: „Ich weiß, dass hier die Fans hinter uns stehen werden, aber unsere Aufgabe in Italien wird schwieriger sein als die in Zandvoort.“

Wenig Siegchancen in Monza

Von insgesamt 242 Ferrari-Siegen in der Formel 1 gelangen der Scuderia 19 in Monza. Ob nun die Nummer 20 folgt, ist fraglich. Gerade auf dem Hochgeschwindigkeitskurs werden Ferrari nicht die besten Chancen eingeräumt. Die rote Show bekommt diesmal wohl nur einen Farbtupfer verpasst, denn zum 100-Jahr-Jubiläum der Rennstrecke möchte die Scuderia in Gedenken an den Geburtsort Modena von Enzo Ferrari einen optischen Akzent setzen: Diesmal kommt auch die Farbe Gelb aufs Auto, nicht nur Rot.

Der letzte Höhepunkt dieser peinlichen Fehlersaison spielte sich in den Niederlanden ab, wo der fast nicht mehr einholbare Red-Bull-Mann Max Verstappen einen weiteren Schritt in Richtung seines zweiten WM-Titels gemacht hatte. Dort leistete sich Ferrari einen stümperhaften Reifenwechsel am Auto von Carlos Sainz jr. Die Mechaniker hatten ein Rad vergessen, ein Patzer, der in den italienischen Medien als „fassungslos machende Schlamperei“ gebrandmarkt wurde. Bei Ferrari-Siegen gehen die Daumen euphorisch nach oben, doch bei aufkommendem Dilettantismus wird eingedroschen auf die Schrauber aus Maranello. Die Emotionen der Italiener spielen sich nur in den Extremen ab – dazwischen gibt es gar nichts.

Pech mit Alonso und Vettel

Sie kennen das Problem in Maranello schon länger. Nach Räikkönens letztem WM-Titel 2007 sucht Ferrari sein Glück, findet es aber nicht. Als Schumacher-Ersatz präsentierten sie den zweimaligen Renault-Weltmeister Fernando Alonso – und wurden mit dem selbstbewussten und bisweilen knorrigen Spanier nie wirklich warm. Nach drei Jahren war die Ehe, die eigentlich die Schumacher-Ära weiterführen sollte, beendet. Schumacher war ein Teil der Mannschaft und der große Motivator in der Garage – Alonso wirkte dagegen wie ein Fremdkörper.

Nicht viel besser wurde es mit Sebastian Vettel. Angetreten als viermaliger Red-Bull-Champion sollte er die Farbe Rot wieder zum Titel führen, doch mehr als zwei Vize-Weltmeisterschaften waren nicht drin. Im letzten der sechs gemeinsamen Jahre wurde Vettel sogar nur 13. der Fahrerwertung, da war der Wechsel zu Leclerc als neuem Nummer-eins-Piloten längst vollzogen. Wie Alonso verlor auch Vettel die Lust. Und auch er war nicht der Leader, den die Italiener brauchten.

Die nächste Hoffnung

Nun ist Leclerc die Hoffnung – aber schon wieder geht nicht viel voran. „Wir hatten jetzt drei Rennen, in denen wir am Sonntag nicht so performt haben, wie wir sollten. Es ist nicht nur Red Bull, die stärker als wir sind, sondern auch Mercedes“, sagt Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. Immerhin: Noch ist der Negativrekord nicht geknackt. Denn nach dem Ferrari-Titel von Jody Scheckter 1979 musste die Scuderia 21 Jahre warten, bis endlich die Rettung kam: Michael Schumacher.