Denis Reul (Adler Mannheim/li.) gegen Boaz Bassen von den Schwenninger Wild Wings – am zweiten Weihnachtsfeiertag 2019 spielten die Clubs des Baden-Württemberg-Derby noch vor Zuschauern. Foto: imago/Lägler

Die Deutsche Eishockey Liga mit den 14 Clubs kämpft um eine wirtschaftliche Perspektive, doch eine schnelle Lösung für einen Saisonstart ist nicht in Sicht. Das Geschäftsmodell ist nicht Corona-kompatibel.

Stuttgart - Sie wollen aufs Eis, die Profis. Doch sie dürfen nicht, in Corona-Zeiten ist es dünn. Es könnte brechen und die gesamte Deutsche Eishockey Liga versinken. Wenn die DEL wie geplant Mitte Dezember startet, ohne dass die Rahmenbedingungen sicher festgezurrt sind, dürften einige Clubs in der Insolvenz versinken. Oder alle. „Wir wollen spielen“, betonen sie in der DEL und den Clubs – wenn die Erstligisten aber mit dem Motto „es wird schon gut gehen“ antreten, würden sie, so ein Insider, „sehenden Auges in eine Katastrophe schlittern“.

Das Geschäftsmodell wurde vom Corona-Virus lahmgelegt. Die Manager setzen seit Jahren auf die Freunde der Hartgummischeibe. 6500 Zuschauer kommen im Schnitt pro Partie, was Eishockey auf Rang zwei nach Fußball und vor Handball sowie Basketball platziert. Es ist nachvollziehbar, wenn die Clubs rund zwei Drittel der Etats aus Spieltagseinnahmen bestreiten, auch die gute Jugendarbeit wird so finanziert. „Unser Modell hat bestens funktioniert“, sagt Matthias Binder, Geschäftsführer von Adler Mannheim, „wir hatten in der SAP-Arena eine Auslastung von fast 90 Prozent.“ In die Halle passen 13 600 Fans. Auf das Virus folgten Beschränkungen, bei maximal 20 Prozent Hallenauslastung schreiben alle Clubs tiefrote Zahlen. Weil Auflagen von Corona-Fallzahlen abhängen und von der Politik variabel gestaltet werden, ist die Saison unplanbar – da könnten die Manager gleich versuchen, die Etats im Roulette zu erwirtschaften. Weil staatliche Hilfen von 800 000 Euro schwer zu ergatternd sind und ohnehin nur ein paar Wochen Gnadenfrist bringen, geht die Branche in die Knie wie ein Spieler nach einem fiesen Check von hinten. „Wir waren auf Corona nicht vorbereitet“, sagt Christof Kreutzer, Manager der Wild Wings Schwenningen, „aber das darf man uns nicht vorwerfen. Niemand war das.“

Zu den Spieltagseinkünften erhalten die Clubs Geld aus dem TV-Vertrag, was im Vergleich zur Fußball-Bundesliga, die 4,16 Milliarden Euro pro Saison verhandelt hat, die Summe eines Kleinsparers darstellt. Vier Millionen Euro im Jahr macht pro Standort 285 000 Euro, das reicht gerade, um zwei Profis zu bezahlen, der Durchschnittsverdienst liegt bei 120 000 Euro. „Natürlich hätten wir gerne mehr“, sagt Binder, „aber wir sind mit diesem TV-Vertrag zufrieden. Er hat die Reichweite der DEL um ein Drittel erhöht, was die Sponsoren freut – Summen wie im Fußball sind utopisch.“ Deshalb ärgert sich der Schwenninger Kollege über die Dominanz von König Fußball. „Da wird viel Geld abgezogen“, sagt Kreutzer, „auch im Sponsorenbereich, das fehlt den übrigen Sportarten. Mit der Transfersumme eines Fußball-Stars könnten wir die gesamte DEL retten.“ Ein Lebensmitteldiscounter zahlt pro Saison noch drei Millionen Euro für die Namensrechte der Liga, die nun Penny-DEL heißt – immerhin, besser als nichts.

Eishockey ist im Vergleich mit Handball und Basketball ein teurer Spaß, weil ein Hallenboden nicht genügt, es muss eine Eisfläche sein, die weit höhere Kosten verursacht. Zum Kader gehören 25 Spieler, im Handball sind es etwa 18, im Basketball 15 – und zum Salär in Euro kommen oft Dienstwagen plus Wohnung. Gut 200 000 Euro sind eingeplant für Schläger, Schoner, Schlittschuhe. Auch bei den Arbeitspapieren wird spitz gerechnet: Viele Spieler haben Neun-Monats-Verträge, ein Vierteljahr gibt’s Stütze. Solange wegen Corona die Saison ruht, erhalten sie Kurzarbeitergeld, was die Bilanz entlastet. Mit Rundenbeginn sind volle Bezüge fällig – es sei denn, die Manager haben die Profis zu Lohnstundungen oder einem teilweisen Gehaltsverzicht überredet, was vielerorts versucht wurde. Der Bundesanzeiger verrät, was jeder vermutet: Eishockey ist ein Fass mit löchrigem Boden. 2016 hatten die DEL-Clubs zusammen den Verlust von 15 Millionen Euro zu verkraften, viele verbuchen jährlich Fehlbeträge, Schulden werden angehäuft. Überleben auf der Intensivstation ist nur möglich, wenn Mäzene oder Großsponsoren Geldspritzen setzen. In Nürnberg wäre es ohne Schmuckunternehmer Thomas Sabo finster, in Mannheim helfen Daniel Hopp und SAP, dem EHC München verleiht Red Bull Flügel, die Eisbären Berlin gehören Investor Philip Anschutz. Und nun greift ein Virus diese zerbrechliche Gesundheit an.

„Wir sollen nicht jammern über was man nicht darf, wir müssen reden über das, was geht“, sagt der Kölner Hai Moritz Müller, Chef der Spielergewerkschaft. Szenarien werden abgewogen: Spiele am Tag, um ins Sportprogramm von ARD und ZDF zu rutschen, DEL als Turnier mit Nord- und Südgruppe, Corona-Schnelltests für die Fans vor den Hallen. Die Absage ist keine Option. Gaby Sennebogen, Managerin der Straubing Tigers, schätzt, dass dies ihren Club vier Millionen Euro kosten würde; die Tigers sind mit dem Etat von etwa sechs Millionen Euro kein Großwild wie Adler (16 Millionen), Rote Bullen (15) oder Haie (12). Man darf sich ausmalen, wie viele Millionen sie abschreiben müssten. „Wir wollen keinen Plan B oder C vorwegnehmen“, erklärte DEL-Chef Gernot Tripcke, die Hygienekonzepte ließen eine Auslastung der Arenen von bis zu 60 Prozent zu, „dann können wir anfangen zu rechnen“. Sie wollen spielen. Aber das Eis ist dünn.