Schon lange verhasst bei konservativen Country-Fans: Martie Maguire, Natalie Maines und Emily Robison (on links nach rechts, hier im Jahr 2014), die sich von nun an „The Chicks“ nennen Foto: AFP/Kevin Winter

Beim konservativen Amerika sind sie schon lange unten durch. Jetzt ändern die drei Frauen von The Dixie Chicks auch noch den Namen der Band. Sie wollen ein politisches Zeichen setzen.

Stuttgart - Auf der Website der Band selbst gibt es keine große Erklärung. Da steht jetzt nur noch The Chicks. Und darunter „We wanted to meet this Moment“, also ungefähr „Wir wollten Teil dieses Augenblicks sein“, nebst den Unterschriften von Natalie Maines, Emily Strayer und Martie Maguire, jenen drei weißen Amerikanerinnen, deren Country-Band bislang als The Dixie Chicks bekannt war. Mit dem Augenblick ist die Reinigungswut gemeint, mit der in den USA gerade nach Befürwortungen, Spuren und Verklärungen des Rassismus auch in der Popkultur gesucht wird.

Plattenverbrennungen und Morddrohungen

Die Dixie Chicks sind alles andere als eine reaktionäre Band. Ihre Songs haben immer schon einen modernen weiblichen Blick auf Beziehungs- und Alltagsfragen geworfen, ein Gegengewicht zum männlichen Country gebildet, in dem Männer gern jammern, dass sie am von Frauen verursachten Herzeleid vergehen. „Not ready to make nice“, noch überhaupt keinen Bock auf Versöhnung also, hielten die Dixie Chicks in einem ihrer Songtitel jener Macho-Illusion entgegen, man könne sich ganz gut daneben benehmen, wenn man hinterher nur mit einem Blumenstrauß ankomme.

Richtig bekannt – und sehr verhasst – wurde die bis dahin durchaus erfolgreiche Band im Jahr 2003, als sie sich kurz vor der Invasion des Irak gegen die Kriegspläne des damaligen US-Präsidenten George W. Bush aussprach. Es sei ihnen peinlich, dass auch Bush aus Texas komme, bekannte Natalie Maines während eines Konzertes in London während einer Europatournee. Der Aufschrei in den USA war gewaltig. Es kam zu Plattenverbrennungen und Morddrohungen. Geschäfte im konservativen Süden und Westen nahmen die CDs und Fanartikel der Band aus dem Sortiment, fast alle Countrysender kickten die Dixie Chicks aus dem Programm, ihre Konzerte wurden reihenweise abgesagt. Als die Frauenband sich dann 2005 auch noch für die Gleichberechtigung nicht-heterosexueller Beziehungen aussprach, konnte die Stiernackenfraktion der Country-Fans gleich mal ausprobieren, wie gut sich das relativ neue Facebook zur Verbreitung übler Beleidigungen und dumpfer Gewaltfantasien eignete.

Dixie und die Peitsche

Auch jetzt wird den Chicks für ihre Namensänderung viel Hohn entgegen gebracht. Liberales Gesinnungstheater wird ihnen aus dem Lager der Trump-Anhänger vorgeworfen: Am Begriff „Dixie“ könne sich doch nun wirklich niemand stören. Das ist die Frage. Dixie ist ein Kosewort, das viele Weiße schon seit Zeiten der Sklaverei für die amerikanischen Südstaaten verwenden. Argwöhnische meinen darum nicht immer zu Unrecht, aus Dixie auch eine nostalgische Sehnsucht nach Zeiten herauszuhören, in denen Weiße noch die Peitsche schwingen konnten. Oder zumindest nach Zeiten, in denen Schwarze nicht aus dem gleichen Wasserhahn wie Weiße trinken durften, im Bus auf speziellen Plätzen ganz hinten sitzen mussten, im gesamten öffentlichen Leben in separaten Bereichen zweiter Klasse bleiben mussten.

Woher der Ausdruck Dixie stammt, ist nicht ganz klar. Eine Erklärung leitet ihn von der Mason-Dixon-Line ab, einer 1767 zu Ende gebrachten Grenzvermessungslinie der Herren Charles Mason und Jeremiah Dixon, die Sklavenstaaten von Staaten ohne Sklaverei schied und im amerikanischen Bürgerkrieg 1861-1865 die Nordgrenze der Konföderierten Staaten bildete. Eine zweite Theorie führt Dixie auf die Zehn-Dollar-Noten zurück, die einst im zunächst französischsprachigen Louisiana von der Bank of New Orleans ausgegeben wurden. Auf denen stand groß das französische Dix (für Zehn), sie kursierten eben vor allem im Süden. Eine dritte Theorie schiebt den Ursprung des Sehnsuchtsbegriffs Dixie nicht den weißen, sondern den schwarzen (Zwangs)Südstaatlern zu. Ein Sklavenhalter aus Manhattan namens Dix (auch im Großraum New York war Sklaverei bis 1817 legal) sei so human mit seinen unfreien Arbeitskräften umgegangen, dass die sich nach ihrem Verkauf in den tiefen Süden bitter zu ihm zurückgesehnt und verklärt von Dixieland als ihrer guten alten Heimat gesprochen und gesungen hätten.

Hymne des Südens im Bürgerkrieg

Was auch immer wahr sein mag, populär wurde der Begriff tatsächlich durch Musik: durch den Song „Dixie“ des weißen Entertainers Daniel Decatur Emmett. Dieses Lied wurde 1859 für eine Minstrel Show geschrieben, einen jener wandernden Klamauk- und Musiktruppen, in denen sich unter anderem schwarz geschminkte Weiße über Schwarze lustig machten. Die Noten zum Lied verkauften sich vom Fleck weg prächtig, und während des Bürgerkriegs galt Dixie als inoffizielle Nationalhymne der Südstaaten.

Die nun als The Chicks firmierende Band, die am 17. Juli ihr erstes neues Album seit 14 Jahren vorlegen will, „Gaslighter“, hat aber nicht nur wie zuvor Lady Antebellum (jetzt Lady A) mit einer Namensänderung auf die Black-Lives-Matter-Bewegung und auf die ganze Aufbruchsunruhe drumherum in den USA des Wahljahrs 2020 reagiert. Auf Youtube hat sie ein Video mit dem neuen Song „March March“ veröffentlicht, und falls der typischer sein sollte für „Gaslighter“, darf man gespannt sein. „Watchin’ our youth have to solve our problems / I’ll follow them so who’s comin’ with me“ heißt es da kämpferisch – und das Ganze ist auch noch musikalisch und optisch mitreißend verpackt.