Elton John (Taron Egerton) weiß, wie man sich inszeniert. Foto: David Appleby/Paramount

Regisseur Dexter Fletcher erzählt in seinem neuen Filmmusical „Rocketman“, wie Elton John zum Superstar wurde.

EsslingenMehr als 400 Millionen Platten hat er verkauft, Dutzende Welt-Hits gehen auf sein Konto – Elton John zählt zu den außergewöhnlichsten Künstlern unserer Zeit – ein Gesamtkunstwerk, das sich immer und immer wieder neu erfindet und inszeniert. Dabei war er in jungen Jahren nur ein etwas übergewichtiger, schüchterner Junge, dem die wenigsten etwas zugetraut hatten. Doch er fand den Weg zum Erfolg und wurde zum Ereignis. Wie Elton John dorthin gelangte, wo er heute steht, zeigt der britische Regisseur Dexter Fletcher in seinem Film „Rocketman“, der jüngst in Cannes Premiere feierte. Dieses kunterbunte Kinomusical bietet starkes Kino. Wie nah uns der Film den wahren Elton John tatsächlich bringt, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

Als Reginald Dwight (als Junge zunächst gespielt von Matthew Illesley und dann von Kit Connor) ist der spätere Superstar in einem Vorort von London aufgewachsen. Seine jungen Jahre waren alles andere als unbeschwert: Um die Ehe seiner Eltern (Bryce Dallas Howard und Steven Mackintosh) stand es nicht zum Besten, großen Rückhalt hatte er zuhause nicht. Nur wenn er am Klavier saß, war Reginald in seinem Element. Als er dank eines Stipendiums sein außergewöhnliches Talent an der Royal Academy of Music in London unter Beweis stellen darf, gelangt Reginald (nun gespielt von Taron Egerton) vollends zum Rock ’n’ Roll. Und mit Bernie Taupin (Jamie Bell) findet er einen Texter, mit dem er prächtig harmoniert. Gemeinsam wollen die beiden die Londoner Szene aufmischen. Doch allein mit ihren Songs gelingt das noch nicht. Erst als sich „Reggie“ den Künstlernamen Elton John zulegt, die verrücktesten Kostüme überstreift und sich auf schrille Weise inszeniert, wird er zum Superstar. Ein Hit jagt den nächsten, seine Kostüme und vor allem die dazu passenden Brillen werden immer skurriler, und bald ist Elton John ganz oben. Dazu hat ihm auch sein Manager John Reed (Richard Madden) verholfen, mit dem er eine Affäre beginnt – von Eltons Vorliebe für Männer soll jedoch keiner etwas erfahren. Doch mit des Ruhmes wundersamen Mächten ist nun mal kein ew’ger Bund zu flechten, und irgendwann droht Elton bedenklich aus der Spur zu geraten ...

Für einen Superstar wie Elton John ist es ein gewisses Wagnis, wenn sein Leben zum Gegenstand eines Spielfilms werden soll. Um sicher zu gehen, dass Dexter Fletcher die Geschichte so erzählt, wie er sich das wünscht, hat Elton John vorsorglich als Produzent mitgemischt und gleich den richtigen Kurs festgelegt: „Dieser Film er-zählt davon, wie ich begann, berühmt zu werden. Es war eine außergewöhnliche und surreale Zeit, und so wollte ich auch den Film haben.“ Wie viel von der Geschichte wirklich wahr ist und wo des Drehbuchautors und des Regisseurs Fantasie beginnt, kann wohl nur Elton John selbst sagen. Doch das behält er wohl lieber für sich. Deshalb sollte man „Rocketman“ am besten als das nehmen, was dieser Film ist: richtig gute Unterhaltung. Mögen die Figuren manchmal wie aus dem Bilderbuch wirken und die Wendungen fast ein bisschen zu schön sein, um wirklich wahr sein zu können – wen kümmert das schon? Elton John ist nun mal eine Kunstfigur, und als solcher nimmt er sich das Recht heraus, seine Geschichte so erzählen zu lassen, wie es ihm passt. Wichtig sind am Ende eben doch seine Songs, und die kommen in „Rocketman“ wunderbar zur Geltung. Manchmal ist man sogar geneigt, zu vergessen, dass nicht Elton John selbst singt, sondern Hauptdarsteller Taron Egerton, der seine Rolle mit Bravour verkörpert und dazu auch noch bemerkenswert gut bei Stimme ist.

Dexter Fletcher erzählt in seinem Filmmusical „Rocketman“ die Geschichte vom rasanten Aufstieg eines gewissen Reginald Dwight zum Superstar Elton John. Wie viel der begnadete Entertainer, der auch als Produzent mitredet, von sich wirklich preisgibt, weiß nur er.