Bundestrainer Joachim Löw hat angesichts der Vielzahl an Klassespielern im Mittelfeld die Qual der Wahl mit Blick auf die EM.
Duisburg - Als das Flutlicht in der Duisburger MSV-Arena am späten Donnerstagabend heruntergedimmt wurde, saß der Bundestrainer Joachim Löw drinnen in den Katakomben im Scheinwerferlicht – und freute sich darüber, dass er über die vielen Lichtblicke dieses Fußballabends beim 3:0 gegen Island sprechen dufte. Am hellsten im deutschen Spiel hatte ja das deutsche Mittelfeld geleuchtet, das sah auch Löw so.
Der Bundestrainer war angetan von seinem zentralen Trio Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Ilkay Gündogan, das in dieser Besetzung wohl auch an diesem Sonntag (20.45 Uhr/RTL) im zweiten WM-Qualifikationsspiel in Bukarest gegen Rumänien wieder auflaufen dürfte. „Das Mittelfeld war sicherlich sehr gut unterwegs, alle drei waren extrem ballsicher und immer anspielbar“, sagte Löw: „Sie haben die Angriffe initiiert, die es in der Enge des Mittelfelds gab. Das war ein Pfund und ein Gewicht für uns.“
Verstimmter Löw
Die angesprochenen Schwergewichte Kimmich, Goretzka und Gündogan harmonierten so gut, dass sich einigen Beobachtern hinterher die Frage nach einem Platz für einen gewissen Toni Kroos und dessen Notwendigkeit im deutschen Spiel aufdrängte.
Joachim Löws Miene verfinsterte sich da von einem Moment auf den nächsten. Der Bundestrainer war verstimmt über diese Frage. Schmallippig und mit grimmigem Blick sagte der Coach dies dazu: „Warum sollte der Toni Kroos um seinen Platz fürchten müssen? Das ist ein Weltklassespieler, der unsere Mannschaft natürlich auch prägt.“ Und weiter: „Man sieht ja, wie schnell irgendwelche Spieler ausfallen können durch Verletzungen und so weiter.“
Ein Quartett an Hochbegabten
Tja, so ist das wohl, jetzt im März, und so wird es wohl auch im Sommer bei der EM sein, wenn denn alle diese deutschen Mittelfeldmänner mit Weltklasse-Qualitäten fit sein werden: Joachim Löw hat ein Luxusproblem in der Zentrale. Man könnte auch sagen, dass er bei der EM die Qual der Wahl haben wird. Fakt ist: Es gibt wohl kaum einen Nationaltrainerkollegen auf diesem Planeten, der Löw um diese Ansammlung an Klassespielern im Mittelfeld nicht beneidet. Und es könnte ja noch besser kommen für den Bundestrainer.
Denn wenn Löw, so wie das längst nicht mehr ausgeschlossen ist, den Weltmeister Thomas Müller für die EM reaktiviert und nominiert, dann hat er im Mittelfeld nicht mehr nur ein Quartett an Hochbegabten, sondern sogar ein Quintett.
Müllers mögliches EM-Comeback
Für dieses Modell warb der neue Länderspielexperte Uli Hoeneß im RTL-Studio schon mal heftig. Mit Müller wäre das deutsche Mittelfeld eines der besten, vielleicht sogar „das beste in Europa“, so sagte das der Ehrenpräsident des FC Bayern.
Joachim Löw gab dann zu Müllers möglichem EM-Comeback seine Standardantwort der vergangenen Tage: „Die Frage wird sicherlich noch später beantwortet werden, wenn es so weit ist bei der endgültigen Nominierung des EM-Kaders im Mai.“
Auch die Option, Joshua Kimmich wegen der Vielzahl an Topkräften im Mittelfeld und der Probleme in der Abwehr bei der EM wieder rechts hinten aufzubieten, hat Löw noch nicht verworfen – auch wenn der Münchner nun mit seinem überragenden Auftritt gegen Island demonstrierte, dass er eigentlich ins Zentrum gehört.
In sich ruhender Kroos
Toni Kroos, der wegen Adduktorenproblemen schon vor dem Island-Spiel wieder zurück nach Spanien gereist war, wird vor dem Fernseher daheim in Madrid registriert haben, wie die Konkurrenz in seiner Abwesenheit punktete. Schwer beeindruckt dürfte ihn das aber eher nicht haben. Denn um den immer in sich ruhenden Kroos aus der Ruhe zu bringen, müsste ihm Löw schon sagen, dass er ihn aus dem EM-Kader streicht. Und das wird nicht passieren.
Also wird sich die Lage der Dinge im deutschen Mittelfeld mit Blick aufs große Turnier weiter zuspitzen. Für wen also entscheidet sich Löw? Für Kimmich und Goretzka und damit des Herzstück des FC Bayern? Für Kroos, dessen Qualitäten seit mehr als zehn Jahren bekannt sind? Für Gündogan, der aktuell in der Form seines Lebens ist? Für Thomas Müller, der eine überragende Saison beim FC Bayern spielt und so für jedes Team der Welt ein Gewinn ist? Es bleibt spannend in der deutschen Zentrale.