Winfried Kretschmanns erste Auslandsreise in diesem Jahr geht nach Straßburg. Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Mit einer zweitägigen Straßburg-Reise will Ministerpräsident Kretschmann die Kooperation mit Frankreich voranbringen. Dabei spricht er durchaus auch sensible Themen an – und zeigt sich immer wieder tief bewegt.

Die Wolken hängen tief über dem Rhein an diesem Nachmittag, am Ufer stimmt das Polizeiquintett erst die französische Hymne an, dann die deutsche. „Es ist das Gebot der Stunde, eng zusammenzustehen und Beziehungen wie die deutsch-französische noch zu vertiefen”, sagt der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und nimmt Bezug auf den Krieg in der Ukraine. Er wird diese Worte häufig sagen an den zwei Tagen seiner Straßburg-Reise, der Zusammenhalt in Europa und unter den „freien Ländern“ ist ihm angesichts „dieses furchtbaren Krieges“ ein großes Anliegen.

Das Gemeinsame Zentrum für Zoll und Polizei in Kehl ist ein symbolträchtiger Ort, hier arbeiten französische und deutsche Polizistinnen und Polizisten eng zusammen. Für die Wasserschutzpolizei patrouilliert inzwischen nur noch ein Polizeiboot auf dem Rhein – unter zwei Flaggen. Im Dienst wird mal deutsch gesprochen, mal französisch, die meisten hier – ob Polizei oder Gendarmerie – können beide Sprachen. Kein Wunder, das Kretschmann und sein Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) der Station am Rhein einen Besuch abstatten. „Die deutsch-französische Freundschaft ist nicht selbstverständlich“, sagt der baden-württembergische Innenminister Strobl, „und auch der Frieden in Europa ist nicht selbstverständlich.“

Am Abend wird Kretschmann über den Besuch des Zentrums am Rhein sagen, merklich bewegt: „Da spürt man richtig, was entstehen kann, wenn man kooperiert – da geht einem vor dem Hintergrundrauschen des Krieges in der Ukraine das Herz auf.“

Kretschmann wünscht sich eine „echte“ europäische Universität

Die Delegation um den Ministerpräsidenten ist am Donnerstagmorgen mit dem TGV von Stuttgart nach Straßburg gefahren, das Programm der Reise ist eng getaktet: Vom Zentrum für Polizei und Zoll in Kehl geht es zur Universität Straßburg, Mitglied des trinationalen Uni-Verbundes Eucor. Die Zusammenarbeit bei Wissenschaft und Forschung: ein weiteres Thema der deutsch-französischen Beziehungen. Schon heute arbeiten fünf Universitäten aus drei Ländern – neben Deutschland und Frankreich auch aus der Schweiz – am Oberrhein zusammen, zum Beispiel mit grenzüberschreitenden Brückenprofessuren oder eng vernetzten Forschungsgruppen.

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Kretschmann aber geht das noch nicht weit genug, er wünscht sich eine „echte“ europäische Universität – und will den Einsatz dafür nicht aufgeben. „Dafür fehlt uns aber der Segen der Europäischen Union“, sagt er beim Besuch der Straßburger Uni. Nach den Regeln müssten drei EU-Länder beteiligt sein, damit eine europäische Universität zustande kommt. Man könne mit dem Silicon Valley oder mit China in Sachen Forschung aber nur mithalten, wenn man kooperiere, sagt Kretschmann – vor allem finanziell.

Landesregierung will Brücken über den Rhein, der Bund bremst

Auch mit Blick auf den grenzüberschreitenden Verkehr am Oberrhein sieht die baden-württembergische Landesregierung noch „Potenziale“. Es sei „unglaublich“, dass 75 Jahre nach Kriegsende einige Brücken über den Rhein noch immer nicht wieder aufgebaut seien, sagt Kretschmann bei einer Grenzraumkonferenz. Ohne eine neue Eisenbahnbrücke bei Breisach aber kann etwa die Strecke zwischen Freiburg und Colmar nicht ausgebaut werden. Und während Frankreich dieses Bahnprojekt und die Strecke Rastatt und Hagenau für eine Aufnahme in das Transeuropäische Netz und entsprechende Förderungen angemeldet hat, lehnt das Bundesverkehrsministerium dies ab. Man zweifelt in dem FDP-geführten Ministerium daran, dass eine solche Aufnahme „zielführend und sachlich gerechtfertigt“ wäre.

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Kretschmann ärgert diese Haltung, „da muss ich in Berlin noch einmal tough reingrätschen, so geht das nicht“, sagt er in Richtung der Ampel-Regierung. Angesichts des Ukraine Krieges müsse man aufwachen, dürfe sich bei Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nicht im Gestrüpp der Zuständigkeiten verheddern. „Gerade im Grenzraum müssen die Menschen den europäischen Mehrwert spüren.“