Pfarrer Nicolai Opifanti vor seiner „echten“ Kirche in Dettingen. Foto: /Karin Ait Atmane

15 000 Menschen passen in keine Kirche. In den sozialen Medien hat Pfarrer Nicolai Opifanti aber so viele Follower. Er hat ganz offiziell eine „Pfarrstelle für den digitalen Raum“ inne. Was macht ihn so beliebt?

Kirche soll da sein, wo die Menschen sind. Und wenn die Menschen nicht zu ihr kommen, dann kommt sie zu ihnen. Für Pfarrer Nicolai Opifanti bedeutet das, auf Social Media präsent zu sein. Auf Instagram teilt er nicht nur Gedanken und Aktivitäten, sondern macht auch Seelsorge. „Ich habe tatsächlich dort viel mehr Gespräche, die ans Eingemachte gehen, als ich’s im analogen Gemeindepfarramt habe“, sagt er. Wichtig sind ihm beide Bereiche: Er ist zu 50 Prozent evangelischer Pfarrer in Dettingen unter Teck und gleichzeitig zu 50 Prozent Online-Pfarrer der Landeskirche in Baden-Württemberg. Auf seinem Instagram-Kanal hat der 38-Jährige mehr als 15 000 Follower.

Am Anfang war das Ganze eigentlich nur eine private Sache. Opifanti hat noch aus der Jugend einen Freundeskreis, den er als „eher kirchenfern“ bezeichnet. „Die haben mich immer ausgefragt, was ich denn so mache“, erzählt er. Um darüber aufzuklären, postete er, damals Pfarrer in Degerloch, regelmäßig Neuigkeiten aus dem Pfarrerjob auf Instagram. Irgendwann bekamen zuerst die Macher der Stuttgarter „Kesselgeschichten“ und dann auch noch der Südwestrundfunk Wind von dem, was er da tat. „Ab da war’s richtig Arbeit“, sagt Opifanti, denn sein Angebot stieß auf immer größere Resonanz, und ihm ist der Austausch mit Interessierten wichtig. Das war noch vor Corona. Mit der Pandemie wurde dann ein wahrer Boom daraus. In dieser Zeit bot Opifanti unter anderem digitale Gottesdienste an, die das Potenzial von Social Media deutlich machten.

Die älteste Followerin des Online-Pfarrers ist über 80

„Man konnte das viel interaktiver gestalten als einen normalen Gottesdienst“, sagt er. So konnten beispielsweise Liedwünsche genannt oder die Predigt kommentiert werden. Und der Pfarrer erreichte damit eine Altersgruppe, die im „normalen“ Gottesdienst in der Kirche nur schwach vertreten ist: Menschen um die 40 Jahre und jünger. Sie machen auch heute noch mehr als die Hälfte seiner Follower aus, zahlreiche Ältere sind aber auch dabei. „Die älteste Followerin ist über 80“, erzählt der Digital-Pfarrer. „Sie schickt regelmäßig Sprachnachrichten mit positivem oder auch kritischem Feedback.“

Mittlerweile postet Nicolai Opifanti nicht mehr ehrenamtlich, sondern beruflich. Die evangelische Landeskirche hat erkannt, dass die sozialen Medien durchaus ein wichtiger Bereich ist, und sie hat deshalb 2021 zwei 50-Prozent-Projektstellen für „Pfarrdienst in digitalen Räumen“ eingerichtet. Eine davon hat Nicolai Opifanti inne, die andere seine Kollegin Sarah Schindler. Mit seiner Tätigkeit als „analoger Pfarrer“ überschneidet sich das, beispielsweise bei der Kita-Arbeit: Er ist für neun Kita-Gruppen zuständig und viele Kontakte laufen über Social Media. Ebenso hat er Follower in der Heimatgemeinde, nicht nur unter deren jüngeren Mitgliedern. Mit Vorliebe ist er mit Stativ und Handy unterwegs, um im Wald oder an einem Aussichtspunkt am Albtrauf seine Storys aufzunehmen. Er ist aber auch schon ins Wasser gestiegen oder hat in einem Parkhaus gefilmt – je nachdem, was zum Thema passte.

Für Pfarrer Opifanti ist Authentizität „das A und O“

Die Aufgaben sind immer die gleichen, ob auf Instagram oder im Pfarramt und auf der Kanzel: geistlichen Input geben, die Botschaft Jesu verkünden und Seelsorge betreiben. Auch im digitalen Bereich bestünden 50 Prozent der Arbeit darin, Menschen zu antworten, sagt er. Manchen falle es leichter, auf diesem Weg um Rat zu fragen und Hilfe zu suchen. Andererseits will der Pfarrer nicht auf seine Verankerung vor Ort verzichten. „Das Erlebnis in einem Gottesdienst, wenn du eine Stunde beisammen bist, ist natürlich intensiver“, sagt er. Von daher gefällt ihm die Mischung aus den beiden Stellen sehr gut. Zumal es, ob digital oder analog, immer auf dasselbe ankommt: ehrlich zu sein und das zu tun, hinter dem man steht. „Authentizität ist das A und O“, sagt Opifanti. Mit der halben Stelle in Dettingen ist er genau genommen nach Hause gekommen, denn der Theologe ist in Kirchheim aufgewachsen, wo er jetzt wieder mit seiner Frau lebt.

Das Privatleben kommt allerdings mittlerweile weniger in seinen Social-Media-Beiträgen vor als früher. Anfangs war ihm wichtig, auch den Menschen hinter dem Amt des Pfarrers zu zeigen. Heute genießt er es, Dinge privat zu machen, ohne den Druck, sie öffentlich zu zeigen. „Das weiß ich deutlich mehr zu schätzen als früher“, sagt er.

Der Pfarrer ist auf Instagram und TikTok zu finden

Kanäle
Sowohl auf Instagram als auch auf TikTok ist Pfarrer Nicolai Opifanti unter dem Namen „pfarrerausplastik“ zu finden. Auf Linkedin hat er einen Account unter seinem Vor- und Nachnamen. Man kann ihm aber auch einfach per E-Mail schreiben an: nicolai.opifanti@elkw.de

Name
Der Name „Pfarrerausplastik“ kam nach einem fröhlichen Abend im Priesterseminar zustande – ohne tiefe Hintergedanken, einfach deshalb, weil dort der Song „Palmen aus Plastik“ rauf und runter gehört worden war. Wenn er gewusst hätte, welche Dimensionen sein Kanal einmal annehmen würde, hätte er vielleicht länger überlegt, sagt der evangelische Dettinger Pfarrer Nicolai Opifanti heute. Aber die Assoziation, dass die Kirche auch für Menschen da sein soll, die in der Gesellschaft eher keinen Platz haben – wie das Plastik in der Umwelt – gefällt ihm ganz gut.