Traumlage mit Ausblick – Grillen am Hörnle. Foto: /Jörg Bächle

Der Teckberg ächzt unter einem stetig wachsenden Besucherstrom. Das Landschaftsjuwel steht mitten im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Tourismusinteressen.

Owen - E

r weiß, wie Bilder wirken. Beide Arme in die Höhe gestreckt, das Bike zwischen die Beine geklemmt, den Blick zum weiten Himmel gerichtet. Die Szene symbolisiert grenzenlose Freiheit. Um die Erhabenheit des Augenblicks zu unterstreichen, ist das Video mit hämmernden Beats unterlegt. Bis schließlich eine Stimme haucht: „Was für eine Aussicht.“ Der Nürtinger Michael Luplow ist Youtuber. Auf seiner Netz-Plattform Bikepacking Adventures gibt er Touren-Tipps für E-Mountainbiker, bewirbt Ausrüster und verdient damit vermutlich Geld. Das Problem: Dort, wo der Mann mit der Helmkamera steht, dürfte er gar nicht sein. Das Bölle über Owen, einer der aussichtsreichsten Balkone der Schwäbischen Alb, markiert den sensibelsten Bereich im Naturschutzgebiet Teck.

Den wilden Ritt im weglosen Gelände vom Parkplatz hinunter zum Bölle und dank Motorhilfe auch wieder rasant hinauf verfolgten fast 1400 Nutzer mit Begeisterung im Netz. Mehr als 2000 Abonnenten hat der Kanal auf Youtube. In beigefügten Kommentaren gibt es Lob, Erfahrungsberichte von anderen Usern, Alternativvorschläge.

Bodenerosion am Bölle

Kritik gibt es keine. Stattdessen eröffnet ein Kameraschwenk aufs grün umrahmte Schild mit der Aufschrift Naturschutzgebiet die Bildsequenz, bevor der Autor der Fall-Linie folgt. Der einzigartige Reiz der Landschaft am vielleicht prominentesten Zeugenberg des Albvorlandes soll in dem Beitrag die Kernbotschaft sein. Dass der feine Humus unterm Magerrasen den groben Stollen des schweren E-Bikes nicht standhalten kann, bleibt unerwähnt. Schäden, die wohl erst beim nächsten Regen sichtbar werden. Bodenerosion ist am Bölle ein ernstes Problem.

Unwissenheit, Gleichgültigkeit und wohl auch ein Stück Dummheit setzen dem Teckberg in wachsendem Maß zu. Brüllende Motoren, wilde Müllkippen und Heerscharen von Erholungssuchenden prägen an Wochenenden das Bild auf Zufahrtsstraßen, Parkplätzen und an Grillstellen zwischen Hörnle und Sattelbogen. Wenn sich an sonnigen Tagen die Blechlawine durch die enge Bohlstraße wälzt, herrscht Chaos auf dem einzigen Zufahrtsweg durch Owen. Nicht immer, aber immer öfter seit das Coronavirus die Menschen aus der häuslichen Enge vermehrt nach draußen treibt.

Owens Bürgermeisterin Verena Grötzinger kennt das Problem seit vielen Jahren. „Es gibt Tage, die deutlich an der Grenze des Erträglichen liegen“, räumt die Rathauschefin ein. Eine Lösung hat allerdings auch sie nicht zur Hand. Mehr Verbote, striktere Kontrollen oder eine Sperrung für den motorisierten Verkehr, wie sie in der Gemeindeentwicklungsplanung schon seit Jahrzehnten diskutiert wird, wären Beispiele. Klingt alles einfach, ist es aber nicht. „Es gibt zu viele Mitspieler, denen man gerecht werden muss“, sagt Grötzinger. Landwirtschaft, die Gastronomie droben auf der Burg und letztlich auch der Landkreis, der mit dem Regierungspräsidium für Naturschutz und Verkehr an der Teck zuständig ist. „Wer Autos verbannt, verlagert das Problem nur an andere Stellen“, gibt Landratsamts-Sprecher Peter Keck zu bedenken. „Man kann die Menschen nicht daran hindern, ins Grüne zu fahren.“

Besuchermagnet Schwäbische Alb

So wie die Umlandgemeinden hat auch der Kreis ein Interesse am florierenden Geschäft mit Ausflüglern und Touristen. Als Anrainer im Biosphärengebiet Schwäbische Alb präsentiert sich der Kreis alljährlich auf der CMT, der weltweit größten Publikumsmesse für Freizeit und Touristik, als Besuchermagnet. Rund 350 000 Euro fließen Jahr für Jahr in die Tourismusförderung. Es ist ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Landschaftlich reizvolle Punkte an den südlichen Rändern der Metropolregion Stuttgart mit ihren mehr als fünf Millionen Bewohnern sind zahlreich und vor allem leicht zu erreichen. Daran hängen die Existenzen von Hotels, Gasthöfen und Direktvermarktern. 3,8 Prozent mehr Besucher lockte die Alb laut jüngsten Zahlen 2018 an. Die Zahl der Übernachtungen stieg auf 5,8 Millionen. Da lassen sich die 60 000 Euro, die der Landkreis im Jahr für die Beseitigung des Mülls in der Natur ausgibt, vergleichsweise leicht verschmerzen.

Dabei zeigt sich: Die Zahl der Besucher ist nicht allein das Problem. Es geht auch um diejenigen, die sich nicht an Regeln halten. Am Sattelbogen zwischen Gelber Fels und Rauber durchzieht an diesem sonnigen Sonntag viel Blech das Grün. Trotz Zufahrtverbots krallen sich Autos an den steilen Hang Richtung Lenningen. Der Kleinwagen eines Stuttgarter Seniorenpaars, das sich den mühsamen Aufstieg ins Wanderrevier erspart hat, der Kombi einer fünfköpfigen Familie, die nur wenige Schritte vom Auto entfernt Würstchen grillt. Wildes Parken im Naturschutzgebiet? Für die Grillstelle gelte das schließlich nicht, meint der Familienvater in überzeugtem Ton, während er eine gewaltige Kühlbox aus dem Fahrzeug stemmt.

„Wir können nicht überall sein“

Kontrollen gibt es, aber wohl zu selten. Die beiden Albranger, die im Auftrag des Kreises nicht nur an der Teck patrouillieren und Müll wegräumen, stoßen ebenso an Grenzen wie die Polizei. „Die Teck ist an Wochenenden ein Schwerpunkt auf Streife“, so Revierleiter Fabian Mayer. „Aber wir können nicht überall sein.“ Schilder, die deutlich machen, was erlaubt ist und was nicht, gibt es an fast allen zentralen Punkten und Parkplätzen. Mit ein Grund, weshalb Owens Bürgermeisterin weitreichendere Verbote für aussichtslos hält. „Wenn wir es nicht schaffen, bestehende Regeln einzuhalten, was sollen dann weitere Verschärfungen?“, meint Verena Grötzinger. Ein Satz, in dem viel Logik steckt. Aber halt auch einiges an Resignation.