Von Roland Kurz

Mit 66 Jahren, da ist noch längst nicht Schluss? Als Hobbymusiker kennt Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, den Schlagertext sicher. Aber er hält sich nicht daran. Er kündigte gestern an, nächstes Jahr nicht mehr für die SPD im Wahlkreis Nürtingen anzutreten. Die Jüngeren ’ranlassen und sich wieder stärker ehrenamtlich zu engagieren, so begründete der Abgeordnete aus Wolfschlugen seinen Rückzug. Auch für die Hobbys und für Reisen möchte der Mann mehr Zeit haben, der seit 1992 im Bundestag sitzt.

Es war ein langer Marsch von der Lehre als Fernmeldemonteur bis zum Wehrexperten, der in den Debatten oft genug dem Verteidigungsminister oder der -ministerin den Standpunkt der SPD klarmachte. In den Fernsehnachrichten rückte Arnold häufig als Fachmann für den Einsatz in Afghanistan ins Bild. Über den zweiten Bildungsweg hatte sich der gebürtige Stuttgarter nach oben gearbeitet, an der PH Esslingen studiert, danach den Fachbereich EDV an der Volkshochschule Stuttgart geleitet.

In die SPD war er 1972 eingetreten, dem Jahr der „Willi-Wahl“. Zwei Jahre später war Arnold Vorsitzender der SPD Filderstadt, 1981 Kreisvorsitzender, etliche Jahre Kreisrat und Regionalrat und schließlich Bundestagsabgeordneter für den Bereich Nürtingen-Filder. 2002 wurde er zum verteidigungspolitischen Sprecher der SPD ernannt, seit 2004 ist er Mitglied im SPD-Fraktionsvorstand.

Ruhe und Herzblut

„Arnold hat zur Versachlichung der (Afghanistan-) Debatte beigetragen.“ So würdigte ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung an seinem 60. Geburtstag. Argumente ruhig und sachlich vortragen, das ist typisch Arnold. Aber aufregen kann er sich durchaus, und sich mit Herzblut für eine Sache einsetzen. Was gerade mit der Demokratie passiert, das beschäftigt ihn so sehr, dass er zu diesem Thema eine Veranstaltungsreihe durch seinen Wahlkreis vorbereitet.

Mit Frustration scheint der angekündigte Rückzug aus der Bundespolitik nichts zu tun haben. „Ich bin mit Begeisterung dabei“, sagte er gestern. Die vielen Reisen betrachte er als „positiven Stress“. Er könne seine Arbeit sehr frei gestalten. „Aber ich muss nicht als 71-Jähriger im Parlament sitzen.“ Er habe sich schon lange entschieden, nach dieser Legislaturperiode einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Nicht zuletzt sieht er die Verantwortung eines erfahrenen Politikers darin, rechtzeitig dem Nachwuchs eine Chance zu geben.

Die SPD im Kreis Esslingen verliert ein Zugpferd im Wahlkampf. Arnold ist klar, auf der Landesliste einen aussichtsreichen Platz zu ergattern, wird noch schwieriger, wenn eine weitere Partei in den Bundestag einzieht. Wie schwer es für den politischen Nachwuchs sei, wisse er zu gut; er habe drei Anläufe benötigt. Aber der Kreisverband habe einige gute junge Leute, „mit Ehrgeiz, das ist wichtig“, sagt der Abgeordnete. Der Kreisvorstand tagte gestern Abend, um eine Findungskommission einzusetzen. Namen, die bald eine Rolle spielen könnten: Kreisvorsitzender Michael Beck, Sebastian Schöneck, der im März in den Landtag wollte, vielleicht auch Pressesprecher Michael Medla.

Mehr Ideen als Zeit

Ab Herbst 2017 kann sich Rainer Arnold dann mehr um Ehrenämter kümmern, derzeit ist er Vorsitzender der Werner-Weinmann-Stiftung. Er möchte mehr fotografieren, freut sich auf längere Reisen, fürchtet aber, dass es ihm geht, wie anderen Pensionären: „Ich habe wohl mehr Ideen als Zeit.“