Selbstporträt mit Galgen: Die treulose Geliebte herzt ihren neuen Partner (links oben), während der verlassene Autor seinem Leben ein Ende bereitet – zumindest mit dem Zeichenstift. Foto: Ka-Mondo/Drouot

In Paris wird eine Zeichnung des Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry versteigert. Die dargestellte Szene offenbart seine tiefe Verzweiflung.

Paris - Die Szene ist von herzzerreißender Grausamkeit. Ein Mann baumelt an einem Galgen, während sich im Hintergrund ein Liebespaar innig umschlungen hält. Der Betrachter erschaudert: Die Zeichnung zeigt den grausamen Tod des von Millionen Lesern so geliebten kleinen Prinzen. Jenes kleinen Abenteurers, der so viele weise Sätze sagt und mit seiner Geschichte über Freundschaft und Vertrauen schon Generationen verzaubert hat.

Der zweite Blick zeigt: Es stirbt da nicht der kleine Prinz, es ist Antoine de Saint-Exupéry, der Schöpfer dieser fast schon mythischen Figur. Es ist ein Selbstporträt des Autors, der seinen Liebeskummer in diese Zeichnung gelegt hat. Das bedrückende Werk wird, neben einigen andern Skizzen des Künstlers, am Donnerstag in Paris im Saal 4 des Auktionshauses Hôtel Drouot versteigert. Das Mindestgebot beträgt 80 000 Euro.

Die dunkle Seite des Schriftstellers

Verstörend wirkt die Zeichnung, weil sie die dunkle Seite des Menschen, Schriftstellers und Piloten zeigt, der jenen netten hellblonden Prinzen auf seinem lila Planeten erfunden hat. Es offenbart ein Schicksal voller Enttäuschungen und Liebeskummer. Die genaue Entstehungsgeschichte der Zeichnung ist unklar, eine Interpretation drängt sich allerdings auf. Saint-Exupéry ging während des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1941 ins Exil in die USA, wo er sich in die Journalistin Silvia Hamilton verliebte. Sie soll es auch gewesen sein, die ihn zu „Der kleine Prinz“ inspiriert hat.

Als der Autor kurz nach der Publikation des Buches im Frühjahr 1943 wieder in den Krieg nach Nordafrika aufbrach, schenkte er seiner großen Liebe das Originalmanuskript, zusammen mit einigen Skizzen zur Geschichte. Die Entstehung der Zeichnung, die nun in Paris zum Verkauf steht, hat sehr wahrscheinlich mit der dann folgenden Beziehung von Silvia Hamilton zum Filmproduzenten Gottfried Reinhardt zu tun.

Der Planet, auf dem sich die beiden Liebenden umarmen trägt nämlich den Namen „FOX MGM“ – ein Hinweis auf die Filmstudios in Hollywood. Hamilton und Reinhardt heirateten im März 1944. Das war sehr schlimm für de Saint-Exupéry, und er brachte seinen seelischen Schmerz in der Zeichnung zu Papier.

Saint-Exupéry stirbt bei einem Aufklärungsflug

Nur wenige Monate danach sollte das Leben Saint-Exupéry tatsächlich ein tragisches Ende nehmen. Der Pilot kehrte von seinem letzten Aufklärungsflug im Juli 1944 nicht zurück; ein Suizid des schwer depressiven Schriftstellers wird ebenso wenig ausgeschlossen wie ein Abschuss oder ein technischer Defekt. Auch sein erfolgreichstes Buch endet traurig, denn der kleine Prinz verschwindet. Doch seine Botschaft bleibt: Am Ende steht die Bitte des Erzählers an seine Leser, weiter nach dem kleinen Prinzen zu suchen.