Die Podcast-Moderatorin Shalin Rogall im Podcast-Studio beim Deutschlandfunk Foto: dpa/Carsten Koall

Jan Böhmermann hat einen Podcast, Barbara Schöneberger und Tim Mälzer auch. Mal geht es um Finanztipps, mal um Fußball, mal um Nonsens. Doch warum ist dieses Format so populär?

Stuttgart - Die Podcast-Moderatorin Shalin Rogall hat eine These, welchen speziellen Nutzen ihre und andere Sendungen erfüllen. „Ich glaube, dass Podcasts eigentlich als Putzhilfe erfunden wurden“, sagt die 29-Jährige und spricht auch aus eigener Erfahrung: Es gebe nichts Besseres, als beim Hören Wäsche aufzuhängen oder sein Zimmer aufzuräumen. Man könne sich etwas inspirieren und informieren lassen, ohne dass der Kopf überlastet werde.

Auch auf dem Weg zur Arbeit, abends im Bett oder im Fitnessstudio werden Podcasts immer häufiger gehört. „Es ist einfach dieses schöne Nebenbei-Medium, das man überall mit hinnehmen kann“, sagt die Moderatorin des Podcasts „Ab 21“ von Deutschlandfunk Nova. Hörer und Hörerinnen könnten Podcasts sehr leicht in den Alltag einbauen und zwischendurch auch immer wieder Pause einlegen.

Große Vielfalt

Podcasts sind Serien von Audio- oder Videobeiträgen. Man kann sie leicht herunterladen oder streamen und auf verschiedenen Geräten anhören oder anschauen. In Deutschland denken viele Menschen vermutlich zuerst an „Fest & Flauschig“ von Jan Böhmermann und Olli Schulz: Zwei Männer, die vor einem Mikro sitzen und miteinander über Gott und die Welt quatschen. Oder an „Paardiologie“ von Charlotte Roche und ihrem Ehemann Martin Keß-Roche, die ihre Hörer auch an intimen Details ihrer Beziehung teilhaben lassen.

Der Vielfalt sind kaum Grenzen gesetzt, was Aufmachung, Inhalt und Länge angeht. Es gibt den nur wenige Minuten langen Video-Podcast von Bundeskanzlerin Angela Merkel, das aufwendig recherchierte Aufrollen ungelöster Kriminalfälle mit eingespielten O-Tönen und Soundeffekten sowie Comedy-Podcasts, in denen zwei Stunden lang fiktive Charaktere improvisiert werden. „Das ist wahnsinnig breitgefächert“, sagt die Medienforscherin Nele Heise.

Beurteilen, nicht verurteilen

Das gilt nicht nur thematisch. Podcast-Expertin Heise sieht Chancen für unterrepräsentierte Gruppen. „Seien es Menschen mit Behinderung, seien es Menschen aus den LGBTQ-Communities, seien es Menschen mit Migrationsgeschichte oder anderer Hautfarbe“, sagt sie. „Das hat man in den letzten zwei Jahren gemerkt, dass sich solche Gruppen, die eigentlich zu gesellschaftlichen Minderheiten gezählt werden, das Medium viel mehr aneignen und damit auch ihre Perspektiven auf die Welt transportieren.“

Der Podcast „Ab 21“ will die Atmosphäre eines Gesprächs am Tisch in einer Wohngemeinschaft erzeugen. Das hören sich bis zu 20 000 Menschen pro Folge an. „Auf Augenhöhe“, wie die Moderatorin Shalin Rogall betont, wird über Themen gesprochen, die junge Menschen bewegen. Wie umgehen mit Angst – beispielsweise vor dem Coronavirus? Was macht es mit der Beziehung, wenn man zusammenzieht? Dabei kommen nicht nur selbst Betroffene, sondern auch Experten zu Wort. Man wolle beurteilen und einordnen, aber nicht verurteilen, sagt Rogall. „Es ist so, als würde man sich mit einer Person, mit der das erste Eis schon gebrochen ist, gut unterhalten.“

Podcasts sind benutzerfreundlich

Medienforscherin Nele Heise sieht vor allen Dingen drei Trends in Deutschland: Podcasts von Prominenten wie Jan Böhmermann, Barbara Schöneberger oder Tim Mälzer, das große Angebot der Öffentlich-Rechtlichen und die Sendungen von Medienhäusern wie „Zeit“, „Spiegel“ und auch der „Stuttgarter Zeitung“, die sich zum Beispiel regelmäßig dem VfB Stuttgart widmet. Auch Coaching-Podcasts und nachrichtliche Formate erfreuten sich großer Beliebtheit. In der Podcast-Suchmaschine „fyyd.de“ finden sich mittlerweile mehr als 7000 deutschsprachige Podcasts, die in den vergangenen sechs Monaten mindestens eine Folge veröffentlicht haben. 2019 kam bei der Streaming-Plattform Spotify neben „Fest & Flauschig“ auch „Gemischtes Hack“ mit Comedian Felix Lobrecht und Fernseh-Autor Tommi Schmitt in die Top Fünf der weltweit am häufigsten abgerufenen Podcasts.

Doch was macht Podcasts so beliebt? Für Medienforscherin Heise spielt die Benutzerfreundlichkeit eine große Rolle. „Sie haben das Smartphone dabei, laden sich etwas runter. Das ist vor ein paar Jahren auch in der Form noch nicht möglich gewesen“, sagt sie. Zudem hätten die Medien gemerkt, dass man so eine junge Hörerschaft erreichen könne – nicht zuletzt auch durch große Erfolge wie den von Böhmermann und Schulz. Das habe viele zu dem Gedanken inspiriert: „Ich will auch so was machen. Das ist unterhaltsam. Das macht Spaß. Klingt auch irgendwie, als wäre das total leicht“, so Heise. „Was es natürlich nicht ist“, stellt sie klar.

An einer Folge von „Ab 21“ arbeiten beispielsweise sechs bis acht Leute, sagt Shalin Rogall. In der Runde werden zunächst Themenvorschläge intensiv diskutiert, eine Woche vor der Aufzeichnung geht dann die konkrete Arbeit los. An jedem Werktag erscheint eine Episode. Bei der Moderation wechselt sich Rogall wöchentlich mit ihrem Kollegen Dominik Schottner ab. An dem Medium reize sie, dass man eine spannende und authentische Unterhaltung wirken lassen könne ohne den Zeitstress einer Live-Sendung im Nacken. „Jede Podcast-Folge ist wie ein eigenes Baby“, sagt Rogall.