Andreas Kurz als Nikolaus vor dem Weihnachtsbaum. Foto: Simon Granville

Jedes Jahr um die Weihnachtszeit schlüpft Andreas Kurz in ein Nikolauskostüm und besucht Familien, Firmen und Einkaufshäuser. Dort trifft er auf verschiedene Menschen und erlebte schon so manches Drama mit.

Wenn Andreas Kurz sein langes Gewand anlegt, die Bischofsmütze aufsetzt und sein Gesicht hinter einem lockigen weißen Bart verbirgt, verwandelt sich der ehemalige Berufssoldat in den Nikolaus. Jedes Jahr zur Weihnachtszeit schlüpft er in diese Rolle. Dann besucht er Familien, Unternehmen oder tritt auf Weihnachtsmärkten und in Einkaufszentren im Raum Stuttgart auf, erzählt die Nikolausgeschichte, singt Lieder, tadelt und lobt. Für jeden Termin bereitet er sich eigens vor, denn er möchte den Kindern ein besonderes Erlebnis bieten.

Bei Familienbesuchen bittet er die Eltern, ihm etwas über ihre Kinder zu erzählen. „Drei Jahre alt, sehr selbstständig, lustig, zieht dem Opa gern am Bart, ärgert aber auch manchmal die Schwester“, liest Kurz aus einer Mappe vor, in der er alle Namen, das Alter und die Interessen der Kinder festhält. Er möchte möglichst glaubwürdig erscheinen, denn ein souveräner Auftritt ist ihm wichtig. Nur einmal wurde er enttarnt – durch seine Armbanduhr. Das sei ganz am Anfang gewesen, vor 12 Jahren, als er zum ersten Mal für sein Patenkind den Nikolaus spielte. Mittlerweile hat er rund 20 Auftritte im Jahr. Jeder ist anders – meistens schön, manchmal ungewöhnlich, aber immer ganz besonders, erzählt Kurz.

Der Hobby-Nikolaus hat arme wie reiche Familien besucht

Sogar eine muslimische Familie habe er schon besucht. Sie wollten, dass ihre Kinder eine Begegnung mit dem Nikolaus erleben. „Dort habe ich dann allerdings keine christlichen Lieder gesungen“, erzählt Kurz.

Ungewöhnlich sei auch der Besuch bei einer Frau gewesen, die an Brustkrebs erkrankt war. Hinzu kam, dass sie sich offenbar kürzlich von ihrem Partner getrennt habe. In langen Briefen teilte sie ihm ihre Leidensgeschichte mit. „Das war tragisch“, erinnert sich Kurz. „Sie tat mir unglaublich leid, aber ich glaube, es ging ihr gar nicht um das Kind, sondern um sie selbst.“ Aber der Hobby-Nikolaus stattet auch solche Besuche ab. Abgelehnt habe er noch keine Anfrage.

Der Hobby-Nikolaus nimmt keine Bezahlung, nur eine Spende

Bei seinen Auftritten steht Kurz häufig bei den Familien im Wohnzimmer. „Das waren schon reiche, aber auch solche mit wenig Geld“, erzählt er. Manchmal steht er vor großen Gruppen, die sich schick machen. Die Männer tragen Anzüge, die Frauen elegante Kleider, und auch die Kinder werden herausgeputzt. Einmal, in einer wohlhabenden Gegend, besuchte er eine Familie in einem modernen Bungalow, während jemand Klavier spielte. Ein anderer Termin führte ihn jedoch ganz nach oben in ein mehrstöckiges Haus. Dort saß ein Mann im Unterhemd auf dem Sofa und zeigte keinerlei Interesse an dem bischöflichen Besuch. Die beiden Kinder hingegen waren unglaublich aufgeregt und unruhig, erinnert sich Kurz.

Am Ende jedes Besuchs spricht er auch mit den Eltern und gibt ihnen einen weisen Rat mit. „Sprecht miteinander, wenn ihr Probleme habt“, sagt er. Er spüre sofort, wenn etwas in der Familie nicht stimme. Einmal habe daraufhin eine Frau angefangen zu weinen.

Wenn die Kinder – oder manchmal auch die Erwachsenen – nicht zuhören, greift er zu einem Trick. „Dann drücke ich ihnen meinen schweren Messingstab in die Hand“, erklärt Kurz. Dann sind sie beschäftigt und wissen, dass sie aufpassen sollen. Dem pensionierten Soldaten ist es aber wichtig, als „guter Nikolaus“ wahrgenommen zu werden. In seiner Ansprache an die Kinder betont er deshalb immer die positiven Seiten.

Geld verlangt er für seine Auftritte nicht. Er freut sich aber über eine Spende. In diesem Jahr möchte er mit den gesammelten Spenden eine Delfintherapie für ein Kind mit Behinderung ermöglichen. „Ich war nie in einem Verein oder habe mich ehrenamtlich engagiert“, sagt er. Sein Weg, Gutes zu tun, sei eben jetzt der Nikolausauftritt.

Der „echte“ Nikolaus

Die historische Figur
Nikolaus von Myra gilt als heiliger Bischof, der Anfang des 3. Jahrhunderts in Myra lebte, im Gebiet der heutigen Türkei. Laut dem Nachrichtenportal der katholischen Kirche soll er zahlreiche Wunder vollbracht und sich besonders für die Armen und die Kinder eingesetzt haben. Der Überlieferung nach verstarb Nikolaus am 6. Dezember.

Brauchtum um den Nikolaus
Zum Nikolaustag stellen Kinder traditionell einen Schuh vor die Tür. Waren sie brav, füllt der Nikolaus diesen mit Geschenken. Früher jedoch sollen Kinder kleine Schiffe vor die Tür gestellt haben, da Nikolaus als Schutzpatron der Seeleute galt, der sie vor Stürmen beschützte. Erst später wurden die Schiffe durch Schuhe ersetzt.