Der Lyriker und Aktivist Max Czollek zeigt in seinen Texten Haltung. Foto: Roberto Bulgrin

Für eine andere Erinnerungskultur macht sich der deutsche jüdische Lyriker Max Czollek stark. Beim Literaturfestival Lesart stellte er seinen Gedichtband „Gute Enden“ vor.

Drei Generationen nach dem Holocaust macht sich rechtsradikales Gedankengut in der Gesellschaft breit. Das entsetzt den deutschen jüdischen Lyriker und Aktivisten Max Czollek. Die AfD liegt in den bundesweiten Prognosen bei 18,1 Prozent. Dieser Trend macht dem 37-Jährigen Angst. In seiner Lyrik kleidet er die Fassungslosigkeit in Worte. Beim Esslinger Literaturfestival Lesart im Central Theater stellte der in Ost-Berlin geborene Autor seinen neun Lyrikband „Gute Enden“ vor. In seiner klaren, von Traumbildern getriebenen Sprache gibt er den Verstörten eine Stimme, die Halt suchen in den Zeiten der Verleugnung.

Zwischen Literatur und Politik

Max Czolleks Verdienst um die neue deutsche Lyrik hob Kevin Butler, der Leiter der Esslinger Stadtbücherei, in seiner Einführung hervor. Die „Balance zwischen Literatur und Aktivismus“ mache sein Schaffen so bemerkenswert. Derzeit hat er den Lehrstuhl des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) für zeitgenössische Poetik an der New York University inne. Czollek hat am interdisziplinären Institut für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin promoviert. Schnittstellen zwischen Literatur und Politik interessieren ihn.

Nicht nur den Rechtsruck in der Gesellschaft reflektiert der Autor, der sich in seinen Texten für eine plurale Erinnerungskultur stark macht. Ihn treibt gerade jetzt die Sorge um die Menschen in den Kriegen um. Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, mit dem der andauernde Krieg im Nahen Osten begann, hat sein Weltbild ebenso erschüttert wie der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Sein Gedicht „Gemeinsame Kriege“ spiegelt die Verstörung wider. Den Körper beschreibt er als unberechenbar, „eine durchgeschüttelte flasche krimsekt /die wir huckepack richtung morgenlicht tragen.“ Dieses Gefühl der Unsicherheit prägt sein Schreiben. In seiner Sprache, die er durch bewusst gesetzte Absätze strukturiert, ist der unsichere Untergrund zu erkennen, auf dem sich der Künstler bewegt.

Dabei hat Czollek stets die internationale Politik im Blick. „hatte serbien immer gemieden /dachte mir fehlten die verse für noch mehr genozide / und als ich hinfuhr /war mir alles so vertraut“. Die Geschichte des Nationalsozialismus ist für den Nachgeborenen sehr gegenwärtig. Das liegt auch an seinen familiären Wurzeln. Er ist der Enkel des kommunistischen Widerstandskämpfers und Verlegers Walter Czollek.

Mit hintergründigem Humor

Mit hintergründigem Humor

In „Gute Enden“ überwiegen die dunklen Töne. Doch mit seinem hintergründigen Humor hellt Max Czollek die pessimistische Weltsicht auf. Es habe für ihn etwas Tröstliches, Gedichte zu schreiben, sagt er im Gespräch mit der Moderatorin Caroline Grafe. Er sieht darin „einen Ort, an den er sich von der Wirklichkeit zurückziehen kann.“ Zugleich hat die poetische Sprache für ihn eine große, unerschöpfliche Kraft. Gedichte beschreibt er als „Albträume, die durch den Körper jagen“. Dass sein Lesepublikum daraus „schweißgebadet“ aufwacht, gehört für Czollek zum Prozess. Die Haltung, dass die Literatur angesichts der politischen Wirklichkeit machtlos sei, lässt er nicht gelten.

Als Politikwissenschaftler denkt Czollek über gesellschaftliche Strukturen nach. Im Gespräch mit der Moderatorin Caroline Grafe sprach er über seinen Einsatz für eine andere Erinnerungskultur. Deutschland habe keinen Grund, auf den Umgang mit seiner Vergangenheit stolz zu sein. „Denn 99 Prozent der am Holocaust Schuldigen haben niemals vor Gericht gestanden.“ Darin sieht der Autor, der mit seinen Essays immer wieder Debatten angestoßen hat, einen Grund, dass jetzt die Dämme für rechtsradikales Gedankengut brechen.