Eishockey vor leeren Rängen? Geisterspiele sind in der DEL keine Alternative, weil die Einnahmen aus Ticketverkäufen eine hohe Bedeutung in den Etats der Clubs haben. Foto: imago/Pius Koller

Der Deutsche Eishockey-Bund, die DEL und die Clubs kämpfen darum, damit die Saison im Herbst beginnen kann – alles hängt davon ab, ob Fans in die Arenen dürfen. DEB-Chef Franz Reindl hofft und bangt.

Stuttgart - Die Sommerpause hat dem Eishockey zusätzliche Zeit beschert, um die Sportart Corona-sicher zu machen. Aktuell wird mit dem Saisonstart am 18. September in der DEL geplant – und DEB-Chef Franz Reindl hofft inständig, dass dieser Termin eingehalten werden kann oder es zumindest keine große Verzögerung gibt.

Herr Reindl, bei der virtuellen Mitgliederversammlung am 9. Juni hat der DEB beschlossen, sich um die Ausrichtung einer Weltmeisterschaft zu bewerben – für 2026, 2027 oder 2028.

Es war noch kein Beschluss, sondern lediglich eine Ankündigung. Wir haben eine große Marktanalyse gemacht, diese wurde ausgewertet – und nun hat sich das Präsidium entschlossen, noch während der Amtszeit bis 2022 die Bewerbung auf den Weg zu bringen.

Wie groß sind die Chancen auf den Zuschlag?

Die Märkte werden nicht weniger, sondern es kommen immer neue hinzu mit großen Ambitionen wie Großbritannien oder Kasachstan, wo es hervorragende Voraussetzungen gibt. Oder Norwegen, wo noch nie eine Eishockey-WM stattgefunden hat, wobei die Nationalmannschaft schon ewig in der Elitegruppe spielt. Man darf sich also nicht zu lange Zeit lassen.

Eine WM spült ja auch Geld in die Kasse. Die zwei Millionen Euro Gewinn, die der DEB bei der WM 2017 einstrich, hilft dem Verband nun finanziell durch die Corona-Krise.

So ist es. Wir fahren mit dem Konzept Powerplay 26 (Nachwuchsförderung, d. Red.) seit 2015 mit Vollgas auf der Überholspur. Da müssen wir Trainer bezahlen, Maßnahmen anbieten und Reisen organisieren sowie mehr Athleten unterstützen – das alles kostet. Wir konnten damit unseren sportlichen Erfolg sichern, uns wirtschaftlich konsolidieren und sogar Rücklagen schaffen für Tage, wie wir sie derzeit erleben.

Wie sehr reißt die Corona-Krise das deutsche Eishockey nach unten?

Den DEB hat getroffen, dass es keine WM der Männer gab und keine Vorbereitungsländerspiele, mit denen wir etwas eingenommen hätten. Andererseits haben wir Kosten gespart, wir hatten keine WM der Frauen in Kanada, keine U-18-WM in den USA, keine Trainingslager für jeweils rund 35 Aktive. Deshalb ist der DEB finanziell gut aus der vergangenen Saison herausgekommen. Aber jetzt kommt die neue Saison, da wissen wir alle nicht, wo die Reise hingeht. Wir wissen nicht, ob und wann die DEL wieder spielt, davon ist der DEB ja auch abhängig, weil wir an den Zuschauereinnahmen partizipieren. Und wenn die nicht fließen, wird’s eng.

Es heißt, die DEL muss wegen Corona auf 20 Millionen Euro Einnahmen verzichten.

Die Summe kann ich nicht bestätigen. Zunächst muss man feststellen, dass durch den schnellen Saisonabbruch der DEL im März den Clubs keine Kosten mehr entstanden sind. Im Mai und Juni passiert im Eishockey wenig, im Juli beginnt erst allmählich wieder das Training. Unser Vorteil im Eishockey zu anderen Sportarten ist, dass wir eine Sommerpause haben. Wenn die Corona-Krise noch länger dauert, wird’s aber kritisch.

Am 18. September soll die DEL-Saison beginnen. Ist der Termin noch immer realistisch?

Wir sind alle keine Wahrsager, aber auch keine Pessimisten, sondern Realisten. Wir sollten mit diesem Termin planen, aber man sollte einen Plan B in der Tasche haben, um später zu beginnen – aber je später die Saison beginnt, umso mehr Geld geht verloren, denn die Spieler müssen in dieser Zeit bezahlt werden und auch der Trainingsbetrieb kostet. Wenn ich jetzt die Entwicklung im Sport sehe, wie mehr und mehr gespielt wird, wird meine Hoffnung größer, dass wir einen Termin im Herbst halten können – und zwar mit Zuschauern auf den Tribünen.

Ohne das Geld von den Fans geht es nicht?

Ohne Zuschauer macht es keinen Sinn. Es geht darum, die Frage zu klären: Wie viele Fans können in die Arenen? Es geht darum, einen Prozentsatz zu finden, mit dem die Clubs leben können. (Wie viel Prozent der Plätze dürfen besetzt werden, d. Red.) Wir arbeiten in einer Task Force, in der DEB, DEL und Clubvertreter sitzen, an der Klärung dieser Details. Wir wollen ein fertiges Konzept bauen, wie der Spielbetrieb in der DEL möglich sein kann.

50 Prozent Auslastung sind im Falle der Adler Mannheim in der SAP-Arena 6800 Zuschauer, im Fall der Schwenninger Wild Wings in der Helios Arena aber nur 3060 Fans. Da besteht doch ein Ungleichgewicht.

Es ist mir klar, dass es deutliche Unterschiede zwischen den Clubs gibt, aber wir planen mit diesem prozentualen Ansatz. Wir wissen, dass es bei jedem Club eine Schmerzgrenze in den Zuschauerzahlen nach unten gibt, unter der der Spielbetrieb nicht mehr wirtschaftlich ist. Derzeit sind wir in der Task Force dabei, diesen Schmerzpunkt auszuloten – Mitte Juli wollen wir das Konzept stehen haben und es den Gesundheitsbehörden vorlegen. Das Gute ist, dass wir nicht unter Zeitdruck stehen und jeden Tag von den Fußballern und Basketballern lernen.

Was lernt man von der Fußball-Bundesliga?

In der Organisation sowie von der Umsetzung der Hygieneregeln – aber wir lernen auch aus Fehlern, die gemacht wurden.

Zum Beispiel?

Da gab es ein paar Spieler, die sich nicht korrekt verhalten haben. (Abstandsregeln, d. Red.) Oder wenn ich sehe, dass in einem Stadion acht Vorstandsmitglieder in großen Abstand auf der Tribüne für 20 000 Menschen einen Mundschutz tragen, muss ich ein wenig schmunzeln. Aber ich muss auch feststellen: Die Fußballer haben die Courage gehabt, den Start zu wagen – sie hatten aber natürlich auch das Geld und das Potenzial, um die Tests durchzuführen.

DEB und DEL könnten sich schon die Tests für die Profis leisten, oder?

Auch diese Frage wird in der Task Force geklärt. Deshalb sitzen dort auch Mediziner und Leute aus den lokalen Gesundheitsbehörden sowie den Krankenkassen. Die Frage der Kosten wird diskutiert.

Gibt’s eine Deadline? Könnte die DEL erst im Dezember in die Saison starten?

Das halte ich für nicht realistisch. Dann müsste man die Saison enorm komprimieren, das würde niemandem Spaß machen, zudem wäre es ja womöglich gesundheitsgefährdend für die Profis – im Mai 2021 steht bereits die WM auf dem Plan. Der Start wurde vom Weltverband vom 7. auf den 21. Mai verschoben, um den Ligabetrieb in den Ländern zu entzerren. Das hilft auch uns sehr.

Wurde das deutsche Eishockey durch die Krise härter getroffen als die anderen Nationen?

Es handelt sich um eine weltweite Pandemie, deshalb würde ich behaupten: Es trifft alle gleich. Wir haben sogar ein wenig profitiert, weil Deutschland weiter auf Platz sieben der Weltrangliste steht – da rangieren wir noch immer vor der Schweiz. Ich will nicht zu euphorisch werden, aber ich fühle mich gut dabei. (Lacht.) Das bestätigt unsere Arbeit.