Mit seinem neuen Roman „Das Licht“ über die Droge LSD ist der US-amerikanische Romanautor T.C. Boyle auf Lesereise in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Elisabeth Maier sprach mit dem 70-Jährigen am Theater Koblenz über die manipulative Macht von Wissenschaftlern und über Donald Trumps Mauerpläne.
KoblenzGegen die von Präsident Donald Trump geplante Mauer an der mexikanischen Grenze kämpft der US-amerikanische Starautor Thomas Coraghessan Boyle auf Twitter. Tagespolitik reizt den Literaten jedoch nicht. Denn T.C. Boyle möchte sein Lesepublikum nicht belehren, sondern verführen. Sein neuer Roman „Das Licht“ beschäftigt sich mit LSD-Entdecker Albert Hofmann und Hippie-Guru Timothy Leary. Am Rande seiner Lesung in Koblenz sprach der „Rockstar der Literatur“ über die Faszination von Machtmenschen und machte seiner Sorge über den Klimawandel Luft.
Heftig wird diskutiert, ob die psychedelische Droge LSD für medizinische Zwecke zugelassen werden soll. Ihr Roman „Das Licht“ streift die Entdeckung durch den Pharma-Forscher Albert Hofmann. Im Mittelpunkt steht Hippie-Guru Timothy Leary. Er war anerkannter Wissenschaftler an der US-Elite-Universität Harvard. Als er bei einem Selbsterfahrungs-Workshop mit Meskalin in Berührung kam, rutschte er ab. Was hat Sie am Thema fasziniert?
Die Entdeckung des LSD durch Albert Hofmann im Basler Sandoz-Labor hat mich nur am Rande interessiert. Die erste Szene meines Romans beschreibt, wie er nach einem Selbstversuch mit der in seinem Labor hergestellten Droge im Rausch auf dem Fahrrad durch die Stadt fährt. Es hat mich fasziniert, wie diese Droge, die aus dem Mutterkorn gewonnen wird, unser neurologisches System beeinflusst. Ich beschreibe Hoffmanns Selbstversuch aus der Sicht seiner Assistentin Susi Ramstein, die kurz danach heiratet und das Labor verlässt. Damit endet auch meine Geschichte. Wir verfolgen aus ihrer Sicht, wie ihr Boss den Verstand verliert. Das ist ein Vorspiel zu dem, was die Harvard-Doktoranden 20 Jahre später mit ihrem Professor Timothy Leary erleben. In meinem früheren Roman „Drop City“ geht es um die Hippie-Bewegung. „Das Licht“ spielt in der Zeit davor und dringt zu den Wurzeln dieser geistigen Revolution vor. Heute taucht LSD wieder aus der Versenkung auf und wird in der Psychiatrie eingesetzt. Ich wollte wissen, wo die Reise begann. Die Frage ist, ob man LSD medizinisch nutzen kann, oder ob es eine Partydroge ist.
Timothy Leary ist ja eine widersprüchliche Persönlichkeit. Im Roman wird er uns als Harvard-Professor vorgestellt. Dann driftet er in Party-Exzesse ab. Wie wurde er zu dem, was er ist?
Als ich selbst ein Hippie war, habe ich jede Droge probiert, die man sich nur vorstellen kann. Aber es blieb eben bei Versuchen. Dann wurde das Schreiben meine Droge. 1968 hatte Leary wegen des exzessiven Drogenkonsums seinen Verstand verloren. Er war ein Fernsehclown und machte sich mit öffentlichen Auftritten lächerlich. In der Zeit, über die ich schreibe, war er ein angesagter junger Psychiater und Professor, der der Wissenschaft wichtige Impulse gab. Die Forschungsreise nach Mexiko und sein Meskalin-Trip haben sein Leben radikal verändert. Danach war der ehemalige Wissenschaftler von den Drogen besessen – sie machen nicht körperlich abhängig, aber psychisch.
Sie erzählen ja nicht aus Learys Perspektive. Der Roman ist aus der Sicht seines Doktoranden geschrieben – und aus der seiner Frau, die mit ihrem langweiligen Bibliotheksjob ihn und den gemeinsamen Sohn durchbringt. Sie hoffen auf ein besseres Leben, aber sie landen in der Gosse. Wie schafft es ein Guru wie Leary, Menschen in seinen Bann zu ziehen?
Menschen, die solche Macht über andere ausüben, interessieren mich. In meinem Roman „Dr. Sex“ habe ich schon früher die Machtmechanismen eines Professors untersucht. Auch da erliegt ein junges Paar der Manipulation des mächtigen Wissenschaftlers, der Menschen eiskalt missbraucht. Solche Widersprüche finde ich spannend. In „Das Licht“ zeige ich an den Figuren, wie LSD und andere Drogen dieser Art wirken, die man Entheogene nennt. Sie sollen ermöglichen, Gott zu sehen. Das aber führt zu der Frage: Was ist Gott eigentlich? Ist er etwa nur eine chemische Reaktion in unseren Gehirnen?
Auch Aldous Huxley kommt vor, der Autor der Dystopie „Schöne neue Welt“. Er schlug vor, bewusstseinserweiternde Drogen nur Intellektuellen und Künstlern zu geben. Wäre das eine Perspektive?
Huxley war überzeugt davon, dass die Drogen Wege in neue Bewusstseinsebenen öffnen. Daher sollte die Elite Zugang dazu haben. Er war sich sicher, dass die anderen LSD missbrauchen würden und wollte ihnen den Zugang dazu verwehren.
Ihr Roman basiert auf zeitgeschichtlichen Fakten. Wie sah denn Ihre Recherche aus?
Leary ist eine faszinierende Persönlichkeit, ich hätte ein Buch mit 1000 Seiten über ihn schreiben können. Er als Person ist nur der Auslöser, der Ereignisse in Gang bringt. Mein Interesse galt dem Doktoranden Fitz, seiner Frau Joanie und ihrem Sohn Corey. Das ist ein ganz gewöhnliches Paar mit einem 13-jährigen Jungen, das von der gesellschaftlichen Revolution verschlungen wird. Deshalb habe ich nicht nur über Leary recherchiert, sondern über alle seine Zeitgenossen, die über psychedelische Drogen forschten. Da ist die Zeit wichtig, in der mein Roman spielt: 1962/63 markiert den Übergang von den Vertretern der Beatnik-Generation, die Anzug und Krawatte trugen, zu den Hippies, die verrückte Klamotten anzogen und die in Kommunen lebten.
Auf Twitter kritisieren sie US-Präsident Donald Trump scharf. In den sozialen Medien bekämpfen Sie den umstrittenen populistischen Politiker leidenschaftlich. „Künstlerisch tue ich mir das nicht an“, sagten Sie in einem Interview. Einen Roman über Trump wird es also nicht geben?
Ich möchte nicht, dass mein künstlerisches Schaffen von Menschen wie Trump vereinnahmt wird. Auf aktuelle Themen reagiere ich vor allem in meinen Kurzgeschichten. Ein politisches Buch zu schreiben, kann ich mir nicht vorstellen. Zum einen wäre es mir unmöglich, ohne ästhetisches Konzept an ein Thema heranzugehen. Künstler sind nicht dazu da, zu predigen oder Dinge zu propagieren. Aufgabe der Literatur ist es, zu verführen. Deshalb bezweifle ich, dass ich jemals etwas über Trump schreiben würde. Obwohl ich schon über Autokraten geschrieben habe – in meiner Kurzgeschichte „Los Gigantes“. Da geht es um einen südamerikanischen Diktator, der seine Armee züchtet, wie wir Hunde züchten.
Mit dem Thema Klimaschutz haben Sie sich vor Jahrzehnten beschäftigt, als noch niemand von der Erderwärmung sprach. Vor Ihrem Abflug aus Los Angeles nach Deutschland sind Sie selbst in einen sturmflutartigen Regen gekommen und in einem Erdrutsch stecken geblieben. Ist der Traum vom ökologischen Gleichgewicht, von der besseren Welt gescheitert?
Es war immer mein Ziel, im Einklang mit der Umwelt zu leben. Aber jetzt bevölkern 7,6 Milliarden Menschen die Erde. Umweltverschmutzung hat die Atmosphäre angegriffen. Die Erderwärmung steigt ständig. Weil die Pole schmelzen, steigt auch der Meeresspiegel. Das ist deprimierend. Überall in Europa und in den USA erleben wir den Aufstieg rechtsradikaler Extremisten und Populisten. Sie haben sich die Flüchtlinge als Sündenböcke auserkoren. Die Kriege Arm gegen Reich werden sich verschärfen, wenn noch mehr Menschen flüchten müssen. Was wird wohl passieren, wenn Bangladesh überflutet wird? Wo sollen diese Menschen schlafen und essen? Mein Buch „América“, das ich vor 25 Jahren geschrieben habe, ist aktueller denn je. Da geht es um Mexikaner, die aus ihrem Land flüchten müssen. Und jetzt will Trump eine Mauer an der mexikanischen Grenze bauen, die eben das verhindern soll. Wo ist nur unsere Menschlichkeit geblieben? Trump ist eine Katastrophe für die Menschheit. Meine Hoffnung ist, dass er nicht sehr viel länger im Amt bleiben wird.
Das Interview führte Elisabeth Maier.