So hat das Gebäude in der Echterdinger Waldhornstraße 1986 ausgesehen. 1988 wurde es fachgerecht zerlegt. Foto: /Archiv STZN

Die Originalteile eines alten Bauernhauses aus Echterdingen sind nicht mehr verwendbar für einen Wiederaufbau. Aber dank einer umfassenden Dokumentation des Gebäudes wäre eine virtuelle Rekonstruktion möglich.

Seit bald 40 Jahren schlummern drei sehr alte Häuser in den Depots des Freilichtmuseums Beuren: Eines aus Echterdingen, das in den Jahren 1670 und 1671 in der Waldhornstraße 10 erbaut wurde, sowie zwei weitere aus Wangen im Kreis Göppingen und Frickenhausen, teils noch älter. Die wurden 1988 fachgerecht zerlegt mit dem Ziel, dass sie einmal vor den Toren Beurens wieder erstehen können im Originalzustand.

Die Mühen müssen nicht vergeblich gewesen sein

600 000 Euro hat dies das Land gekostet. Das galt damals als Investition in die Zukunft, also in unsere Gegenwart. Doch heute sind die Fachleute von solchen Ideen abgerückt: Zu teuer das Ganze, und heute interessieren die Rekonstruktionen von alten Gebäuden längst nicht mehr so sehr wie damals. Waren also die Mühen und das Geld von damals vergeblich gewesen?

Nein, sagt dazu der langjährige Echterdinger Gemeinderat Wolfgang Haug. Und er hat dazu auch eine Idee: Die Gebäude sollen digital wieder erstehen. Und dies für alle virtuell erlebbar. Und für diese Umsetzung hat er auch schon einen Partner auserkoren: Die Schüler von der Nürtinger Philipp-Matthäus-Hahn-Schule aus der Abteilung Bauwesen. „Die machen so was jetzt schon“, weiß Haug.

Digitalisierung ist heute in Vielem selbstverständlich

Und das stimmt ja auch: Einen Zollstock nimmt schon lange niemand mehr zur Hand, wenn es gilt, eine Fläche auszumessen. Das geht viel schneller und präziser mit dem Laserstrahl. Und Simulationen von Räumen sind auch schon lange kein Hexenwerk mehr. Solch ein Programm hat heute so ziemlich jedes Möbelhaus im Repertoire, wenn es darum geht, eine komplexere Schrankwand auszuwählen oder gar die Küche komplett neu einzurichten.

Bei den Bauprofis heißt das Zauberwort BIM und meint „Building Information Modelling“ und das bedeutet: Bevor an dem realen Haus gebaut wird, entsteht ein digitales Zwillingshaus. Mit möglichst vielen Daten und Details ausgestattet, lassen sich da nicht nur Ausstattungs- und Einrichtungsfragen klären, sondern auch viele Einzelheiten. Hier kann schon im Modell festgestellt werden, ob eine Tür an einer bestimmten Stelle möglich ist oder ob da eine Strom- oder Wasserleitung im Weg wäre. Das sind so Dinge, welche die Nürtinger Schüler praktisch erlernen beim Besuch von Firmen und Baustellen.

Umfassende Dokumentation

Was das Echterdinger Haus betrifft, zeigt Haug auf gut 500 Seiten Unterlagen. „Da sind alle Informationen zu diesem Haus drin: Alle Vermessungen, alle Fotografien der großen Zusammenhänge und der Details. Das kann man ja alles digital gut verwenden“. Diverse Untersuchungen sind abgeschlossen in dokumentarischer, in kulturwissenschaftlicher, in bauhistorischer sowie in archäologischer Hinsicht, auch labortechnisch wurden die Häuer begutachtet, und auch diese Ergebnisse liegen alle vor. Denn die Originalteile sind inzwischen unbrauchbar. Haug hat in den Depots nachgeschaut: „Da ist nur noch Sägemehl übrig, wenn man reinlangt“. Schon vor einigen Jahren haben Fachleute festgestellt, das die Originalteile nicht mehr verwendet werden können für einen Wiederaufbau. Weder im Freilichtmuseum noch vor Ort, wo diese Gebäude einst Jahrhundertelang gestanden haben. Das sei nur noch Bauschutt, der eben wie jeder andere Bauschutt heute auch verwertet werden müsse. Es sei halt unsachgemäß gelagert worden mit unzureichender Lüftung.

Das Interesse verlagert sich zur Nachkriegszeit

Hier die Verantwortlichen zu suchen, ist die eine Sache. Die andere ist, wie es mit den Gebäuden und der Idee von deren Rekonstruktion weitergeht. Nicht nur Haug hat in seiner jahrzehntelangen Arbeit als Gemeinderat festgestellt: „Vor 30 oder 40 Jahren war der Denkmalschutz sehr wichtig, also der Erhalt von älteren Gebäuden. Dieser Stellenwert ist heute so nicht mehr gegeben. Andere Aspekte der Schutzbedürftigkeit sind heute wichtiger, etwa der Schutz der Natur und der Umwelt“. Und in musealer Hinsicht ergänzt dies Steffi Cornelius, seit 1991 Leiterin des Freilichtmuseums Beuren: „Heute steht nicht mehr die Darstellung der Wohn-, Arbeits- und Lebensweisen im Mittelpunkt, sondern der Wandel der Alltagskultur bis in die Nachkriegsmoderne“. Diesen Wandel hätten auch die Landesmuseen erkannt, so Haug: „Einem Wiederaufbau dieser alten Häuser stehen die inzwischen eher skeptisch gegenüber, auch aufgrund der hohen Kosten“. Da schaue man schon eher auf die Entwicklung des Digitalen. Und da ist in der Tat heute vieles realisierbar, was vor einigen Jahren noch nicht denkbar war. Und die Museen verfolgen dies natürlich auch.

Aber da ist noch nichts wirklich in trockenen Tüchern: Die Stadt Leinfelden-Echterdingen hat noch ein Wort mitzureden, was den Verbleib des alten Hauses aus der Waldhornstraße betrifft. Und die hat sich nach Haugs Einschätzung noch nicht zu einer Entscheidung durchgerungen. Und dann ist da noch die Leiterin des Freilichtmuseums Beuren, die jetzt Ende März in den Ruhestand geht. Welchen Standpunkt hat wohl die neue Leitung zu Themen wie Rekonstruktion, Wiederaufbau und Digitalisierung?

Gelagerte Gebäude in Beuren

Echterdingen
 Das Haus aus der Waldhornstraße 10 hat sich im sogenannten Unterdorf befunden, in dem vor allem die einfache Bevölkerung gelebt hat. Etwa der Landvermesser Rieth, der Ende des 19. Jahrhundert Echterdinger erstmals akribisch vermessen hat. Eine weitere Besonderheit: Es war ein Haus mit Flurküche, Flur und Küche waren ein Raum. Das sorgte für damalige Wärmeeffizienz.

Frickenhausen
 Mit dem Baujahr 1463 ist es das älteste Haus im Bestand des Freilichtmuseums. Es ist ein zweigeschossiges Fachwerkgebäude mit Scheune.

Wangen
Zumindest von der Substanz her könnte dieses Sand- und Ziegelsteingebäude wieder erbaut werden. Im Gespräch war es als Funktionsbau für Ausstellungen. Doch da die Informationslage über die Gestaltung im Innern nur dürftig ist, rieten die Restauratoren von einem Wiederaufbau ab.