Rund 400 Menschen demonstrieren in Stuttgart gegen den Krieg in der Ukraine. Foto: Lg/J. Rettig

Den Gewinn beim ESC feiern Menschen aus der Ukraine bei einer Demo am Sonntag in der Stuttgarter Innenstadt als symbolischen Sieg.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag hat Ilona Gerlach geweint. Es waren Tränen der Freude, der Rührung und des Stolzes. Ihr Land, die Ukraine hatte nach 2004 und 2016 zum dritten Mal den Eurovision Song Contest (ESC) gewonnen. „Was für ein Zeichen der Solidarität von den Europäern. Das ist ein symbolischer Sieg – unser erster. Jetzt müssen wir auch den Krieg gewinnen“, sagt Gerlach bei einer Kundgebung am Kronprinzenplatz am Sonntag.

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Die Band Kalush Orchestra um Leadsänger Oleh Psjuk hatte mit „Stefania“ bei der 66. Auflage eine wilde Mischung aus Folklore, Partysong und Breakdance geboten, begleitet von einer Telenka, einer traditionellen Langflöte. Ilona Gerlach ist Vorstandmitglied beim „Ukrainischen Atelier für Kultur und Sport“, das zur Demo eingeladen hatte. Ihr Mädchenname lautet Ushenina, aufgewachsen ist sie in Dnipro, im Osten der Ukraine. Die 35-Jährige lebt seit15 Jahren in Stuttgart und ist mit einem Deutschen verheiratet. Ein Großteil der Familie lebt noch in der Heimat. Woche für Woche ruft sie mit ihren meist weiblichen Mitstreiterinnen zu Veranstaltungen auf und wünscht sich noch mehr unterstützende Teams und Aktionen, damit das Thema präsent bleibt. 81 Tage ist es her, seit Putin seine Knochenmühle in Gang gesetzt hat und unzählige Tote sowie fürchterliche Bilder aus Butscha, Mariupol und anderswo hervorgebracht hat. Auch an diesem Sonntag sind wieder rund 400 Menschen zur Demo in die Stuttgarter Innenstadt gekommen – mit alten, aber auch neuen Aufforderungen und Botschaften. Da werden Plakate in die Höhe gehoben, auf denen Kinder abgebildet sind, die angeblich zwei Monate in dunklen Kellern in Mariupol verbracht haben. Aber auch „Putin nach den Haag“ oder „schützt den ukrainischen Luftraum“ ist auf den Plakaten zu lesen.

Die Demonstranten mahnen mit Transparenten

Gerlach verweist auf die bewusste Vernichtung von Kultur in ihrem Heimatland, denn wer Bibliotheken abbrennt, Museen plattmacht oder ein Theater mit Menschen bombardiert - so wie Mariupol -, der zerstöre auch die Kultur eines Landes. Und auch darum gehe es für Putin in diesem Krieg, sagt sie. Sie begrüßte wie andere Rednerinnen die Reise von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in die Ukraine und das Bekenntnis vieler europäischer Staaten, ihr Land nicht nur im Krieg, sondern auch bei einem späteren Wiederaufbau zu unterstützen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte nach dem Song-Contest-Erfolg angekündigt, 2023 in seinem wieder aufgebauten Land den nächsten Songcontest austragen zu wollen. „Es wird dauern, und wir werden Geduld brauchen – aber das ist ein Ziel, auf das man hinarbeiten kann“, das sagt auch Ilona Gerlach.