Die Protestwelle anlässlich des Todes der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini hat Stuttgart erreicht. Foto: LICHTGUT/Max Kovalenko

Was der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini im Iran zugestoßen ist, beschäftigt die Menschen weit über die Landesgrenzen hinaus. Am Freitag erreicht die Protestwelle auch Stuttgart.

Der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini treibt nicht nur im Iran die Menschen auf die Straße. Die Protestwelle gegen das Vorgehen der sogenannten Sittenpolizei, die Amini in der Hauptstadt Teheran wegen eines falsch getragenen Kopftuches festgenommen und sie für den Verstoß gegen die strenge islamische Kleiderordnung mutmaßlich in den Tod getrieben hatte, hat ganz schnell eine internationale Dimension angenommen – und am Freitag auch Stuttgart erreicht.

Bei einer Demonstration auf der Königstraße versammelten sich auf Höhe der Stiftskirche am Nachmittag anfangs rund 100 Menschen. Schätzungsweise noch mal so viele kamen im Laufe der Versammlung hinzu.

Die traurige Spitze des Eisbergs

„Es sind mehr gekommen als erwartet“, freute sich Negar Aghanourian. Die seit sieben Jahren in Stuttgart-Vaihingen lebende Iranerin hatte aufgerufen zu dieser „Gedenkkundgebung zu der Tötung von Mahsa Amini und Solidarität mit den iranischen Frauen im Kampf für ein selbstbestimmtes Leben“.

Verschiedene Redner und Rednerinnen machten klar, dass der mutmaßlich gewaltsame Tod der 22-Jährigen kein Einzelfall, sondern eher die traurige Spitze des Eisbergs sei. „Das iranische Volk leidet seit mehr als 40 Jahren unter der unrechtmäßigen Herrschaft des Regimes der Islamischen Republik und unter dem Mangel an den grundlegendsten Menschenrechten“, sagte Aghanourian.

Auf Spruchbändern wurde gefordert, dass Vergewaltigungen, Ehrenmorde, Zwangsverheiratungen und Kinderverheiratungen, wie sie im Iran zum Alltag gehören, aufhören müssen. Die Revolutionsführer, die vor gut vier Jahrzehnten die Herrschaft im Iran übernommen haben, würden ihre „Menschenrechtsverbrechen“ im Namen des Islam begehen und damit die Religion instrumentalisieren und missbrauchen. Nicht nur, aber vor allem Frauen hätten darunter zu leiden. „Wir werden nicht zulassen, dass das Leid von iranischen Frauen ungehört bleibt. Ihr seid nicht allein“, klang es unter großem Jubel über die Mikrofone, und die Aufschrift auf vielen Schildern unterstrich diese Solidarität mit den Worten: „Wir sind alle Mahsa Amini“.

Viele Männer an der Aktion beteiligt

Aus Sicht der Veranstalter hatten sich erfreulich viele Männer an der Aktion beteiligt. „Und die Männer stehen derzeit auch im Iran an der Seite der Frauen“, weiß Negar Aghanourian. Alle Protestierenden würden gerade täglich ihr Leben riskieren, wenn sie auf die Straße gehen. Denn das Regime und sein Gefolge wird versuchen, mit ähnlichen Mitteln Massenproteste niederzuschlagen, wie es vor drei Jahren bei einem Aufstand gegen steigende Benzinpreise der Fall war. Laut Amnesty International sollen dabei in nur vier Tagen über 300 Menschen ums Leben gekommen sein. Bei den seit knapp einer Woche laufenden Protesten nach Aminis Tod hat es auch schon mehr als ein Dutzend getötete Demonstranten gegeben.

Dies könne nur aufhören, wenn „das Schweigen der Welt zu diesem Massaker“ aufhöre. Auch demokratische Ländern wie Deutschland dürften die Unterdrückung des iranischen Volkes durch das Regime der Islamischen Republik nicht weiter ignorieren.