Ein Mann befestigt bei der Kundgebung auf der Königstraße zu den Protesten im Iran ein Plakat mit Porträt von Mohsen Shekari. Er wurde hingerichtet. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Das Kollektiv „FeministsforJina“ hat auf einer Kundgebung „Stoppt die Hinrichtungswelle im Iran“ gefordert. Redner verurteilen das Regime in Teheran.

Langsam umschreitet die Frau mit der roten Augenbinde und dem Strick um den Hals die drei Galgen auf der Königstraße. Verbunden sind sie mit Schnüren, an denen Bilder der Menschen hängen, die nach Inhaftierungen, Folterungen oder durch Hinrichtungen des Mullah-Regimes gestorben sind. Eine Performance bei der Kundgebung „Stoppt die Hinrichtungswelle im Iran“, zu der das feministische Kollektiv „FeministsforJina“ geladen hat.

Mehr als 18 000 Festgenommene

Laut Menschenrechtsaktivisten sind bei den systemkritischen Proteste im Iran, die sich am Tod der 22-jährigen Kurdin „Jina“ Mahsa Amini in Polizeigewahrsam am 16. September entzündeten, mehr als 18 200 Menschen festgenommen und mindestens 497 Menschen getötet worden, darunter 68 Kinder. „Menschen wie du und ich, die auf Märkten arbeiten, in Kliniken, in Bars“, so „Elli“ von „FeministsforJina“ und der iranischen Community Stuttgart.

Ärzte, Schauspieler, Sportler, Journalisten, Studierende, gar Schulkinder säßen in Haft, sagt die junge Frau, die aus Sicherheitsgründen nicht ihren Geburtsnamen nennt. „Mohsen Shekari war Rapper und Barista aus der Arbeiterklasse, Majidreza Rahnavard in einem Obstladen tätig.“ Die beiden wurden am 8. und am 12. Dezember offiziell als erste hingerichtet für ihre Teilnahme an den Protesten gegen die Regierung.

Spendenaufruf bei der Demo

Nach unfairen Scheinprozessen heißt es bei Amnesty International. „,Krieg gegen Gott’ lautet die Anklage, mit der die iranische Justiz Regimegegner aburteilt“, so Elli. „Circa 30 Menschen sind mittlerweile zum Tode verurteilt. Das islamische Regime im Iran will Angst verbreiten, um die vor drei Monaten gestartete Revolution zu stoppen, es kennt keinen anderen Weg als Gewalt.“ In Belutschistan und Kurdistan vergehe seit langem kein Tag, an dem nicht jemand exekutiert werde, betont sie. Die Behörden führten seit Jahren einen Feldzug gegen Minderheiten. Sie verliest ein Statement zu „Dasguhoran“, der Tradition der Frauen aus Belutschistan, „füreinander als Schwestern“ einzustehen. Sie fordert humanitäre Visa, intelligente Sanktionspolitik, die sich auf die Mullahs auswirke, nicht auf die „kleinen Leute“, die Verwandte unterstützen wollen. Und sie hofft auf Spenden. „Viele Hauptverdiener sind verhaftet, die Menschen haben nichts.“

Lieder gegen die Unterdrückung

Für Gleichberechtigung aller und gegen Diskriminierung aufgrund Hautfarbe, Herkunft, Klasse, Geschlecht, Körper, Sexualität und weiterer Merkmale kämpfen auch die Vertreterinnen der kurdischen Community sowie des Aktionsbündnis 8. März, die bei der Kundgebung sprechen.

Solidarität mit den Frauen im Iran, die nicht öffentlich singen dürfen, zeigt Paria Tavakolli mit einem Lied, das sie mit dem Musiker Friedrich Greiling schrieb. Auch gemeinsam wird gesungen – politische Protestsongs – und skandiert „Jin, Jiyan, Azadi“, also „Frau, Leben, Freiheit“. Jene Parole der kurdischen Freiheitsbewegung, die Motto der Proteste im Iran ist.