Auf der Demo in Stuttgart gegen Rechtsextremismus. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

In Stuttgart demonstrierten am Samstag zahlreiche Menschen gegen Rechtsextremismus. Die Veranstalter sprechen von einem „Vormarsch faschistischer Gruppierungen“.

Mehrere Hundert Menschen haben am Samstagnachmittag auf dem Schlossplatz an einer Kundgebung des Stuttgarter Netzwerks gegen rechts teilgenommen. Dabei betonte der Initiator Joe Bauer, dass die zunehmenden sozialen Verwerfungen und Ungerechtigkeiten der Nährboden für autoritäre Tendenzen seien. Als Beispiel nannte Bauer die grassierende Wohnungsnot und hohe Preise durch die Inflation. Bauer rief dazu auf, dass alle, die sich gegen rechtsextreme Entwicklungen in der Gesellschaft und Politik zur Wehr setzen, parteiübergreifend Bündnisse bilden sollten. Dazu gehöre dann auch, politische Kontroversen und Meinungsunterschiede auszuhalten, sagte Bauer: Im Kampf gegen rechts müssten „starre Positionen“ aufgegeben werden.

Joe Bauer bei seinem Redebeitrag in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Julian Rettig/Julian Rettig

Der Arzt und Aktivist Michael Wilk wies in seinem Redebeitrag darauf hin, dass die politischen Parteien in Deutschland zunehmend rechtsextreme Positionen und Inhalte übernehmen. „Die oft zu hörende Behauptung, damit den Zustrom zu der mit offen faschistischen Parolen agierenden AfD ausbremsen zu können, ist gefährlich und grundfalsch“, sagte Wilk.

Die Übernahme „völkischer Argumentationen“ diene nicht der Bekämpfung der faschistischen Kräfte, sondern der Legitimierung menschenfeindlicher Ideen. Zeigen würde sich diese Entwicklung zum Beispiel im Umgang mit Geflohenen in Deutschland, so Wilk. „Anstatt die Fluchtursachen zu bekämpfen, nehmen die staatlichen Maßnahmen zunehmend die Geflohenen selbst ins Visier“, kritisierte der Arzt.

Diskussion ist „schwachsinnig“

Jama Maqsudi, der sich seit Jahrzehnten in Stuttgart für die Menschen- und Frauenrechte in Afghanistan einsetzt, erinnerte daran, dass Studien belegten, dass 70 Prozent der Flüchtlinge, die seit acht Jahren in Deutschland sind, heute arbeiten. „Viele Dienste werden durch Migranten und Migrantinnen aufrechterhalten“, betont Maqsudi. Als Beispiele nannte er das Gesundheitswesen und die Pflege. „Die Diskussion über die Remigration ist deshalb nicht nur dumm, sondern schwachsinnig“, so der 71-Jährige, der in diesem Jahr bei einem Besuch in Afghanistan von den Taliban festgenommen wurde und mehrere Wochen im Gefängnis verbrachte.

Die Mitarbeiterin des Stuttgarter Staatstheaters, Lena Spohn, legte in ihrem Redebeitrag den Fokus auf die Versuche der AfD und anderer rechtsextremer Gruppierungen, die Kunst und Kultur in ihrem Sinne zu beschneiden: Als Beispiele nannte sie den AfD-Antrag zum Bauhaus im Landtag von Sachsen-Anhalt, aber auch die Anfeindungen und Drohungen, der aktuell die Regisseurin Florentina Holzinger wegen der Stuttgarter Operninszenierung „Sancta“ ausgesetzt ist. Die Liste rechtsextremer Übergriffe auf die Kultur sei lang, betonte Spohn.