Die meisten Bundesländer haben mittlerweile ihre Polizei mit Körperkameras, sogenannte Bodycams, ausgestattet – hier eine Beamtin in Nordrhein-Westfalen. Foto: Oliver Berg/dpa/Oliver Berg

Rechtswissenschaftler halten die Regelung für Bodycams und Personenkontrollen für verfassungswidrig. Die Landtagsopposition sieht sich bestätigt und warnt vor Klagen. Der Innenminister will dennoch an seinem Gesetzentwurf festhalten.

Stuttgart - Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) erntet für seine geplante Verschärfung des Polizeigesetzes unerwartet heftigen Gegenwind von Rechtsexperten. Wenige Tage, bevor die Novellierung eines der wichtigsten Landesgesetze verabschiedet werden soll, haben mehrere Wissenschaftler am Montag schwerwiegende Verfassungsbedenken angemeldet. Sie kritisieren vor allem die Befugnis, Menschen bei Großveranstaltungen nahezu anlasslos zu kontrollieren. Aber auch der Einsatz von Bodycams in Wohnungen wird kritisch gesehen.

Strobl selbst zeigt sich davon zwar unbeeindruckt und erklärte nach der Anhörung im Innen- und im Ständigen Ausschuss, die Änderungen seien „geboten und verfassungsrechtlich vertretbar“. Die Landtags-Opposition jedoch will ihre Zustimmung verweigern und sieht den Gang vor die Gerichte vorgezeichnet.

Nun war es keineswegs so, dass der Entwurf von den zehn geladenen Referenten in Bausch und Bogen abgelehnt worden wäre. Auch die beiden Knackpunkte – Personenkontrollen und Bodycams – wurden durchaus unterschiedlich bewertet. So nannte etwa der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen die Novelle „schlicht gelungen“. Das Polizisten ihre Körperkameras künftig nicht nur im Freien, sondern auch in Wohnungen und Geschäftsräumen einschalten dürfen, sei „geboten“.

Es gibt auch viele Befürworter

Die Mannheimer Kriminalhauptkommissarin Tanja Kramper steuerte ein bislang wenig bekanntes Argument für den Einsatz von Bodycams bei. Das Gerät wirke auch auf denjenigen zurück, der es einschalte, so berichtete sie aus der Praxis: es beruhige und gebe mehr Sicherheit, und das wiederum habe eine deeskalierende Wirkung auf ein aggressives Gegenüber. Auch andere Referenten sprachen sich für Strobls Reform aus, so Uwe Schlosser, der Opferbeauftragte der Landesregierung, und Ralf Kusterer, der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft.

Selbst der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Stefan Brink, der dem Innenminister schon mehrfach mit juristischen Argumenten in die Parade gefahren war, äußerte eher „verhaltene“ Kritik. So hält er den Einsatz von Bodycams in Wohnungen für „verfassungsrechtlich vertretbar“, weil die Verarbeitung der Daten einer richterlichen Zustimmung bedarf.

Ganz anders Andreas Nachbaur, Professor für Rechtswissenschaften an der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen. Er hält die Bodycam-Regelung für verfassungswidrig – vor allem deshalb, weil der Einsatz in Wohnungen mit dem Grundgesetzartikel 13 („Die Wohnung ist unverletzlich“) kollidiere. Die Vorgaben des Polizeigesetzes seien viel zu unbestimmt und deshalb „unverhältnismäßig“. Auch der neue Rechtsrahmen für die Identitätsfeststellung bei Großveranstaltungen geht Nachbaur zu weit: „Es gibt keine vergleichbare Regelung in einem anderen Bundesland.“

Totalverriss aus Trier

Das schwerste Kaliber gegen Strobls Novelle fuhr aber der Trierer Rechtswissenschaftler Mark Zöller auf. Er habe schon viele Polizeigesetze der Länder als Sachverständiger begleitet, sagte der Direktor des Instituts für Deutsches und Europäisches Strafprozessrecht und Polizeirecht. „Diese Regelung ist die am deutlich misslungenste von allen“, sagte er mit Blick auf den Bodycam-Paragrafen. Ein solcher Eingriff sei nur möglich, wenn der Bundestag zuvor Artikel 13 geändert habe. Verfassungsrechtliche Risiken sieht Zöller aber auch, weil einige Regelungen der Novelle gar nicht in die Zuständigkeit des Landes fielen.

Die Landtags-Opposition, die Strobls Werk seit Monaten kritisiert, reagierte mit Genugtuung. „Die Grünen waren wohl im Tiefschlaf, als sie diesem Gesetzentwurf zugestimmt haben“, ätzte SPD-Fraktionsvize Sascha Binder. Bei der Verabschiedung in der aktuellen Fassung sei der Gang vor die Gerichte vorgezeichnet.

Die AfD sprach vom „Desaster“ für die Regierung, die FDP forderte die Grünen auf, „koalitionsintern die Reißleine zu ziehen“. Grünen-Fraktionsvize Uli Sckerl erklärte: „Wir haben gesagt, dass eine Anhörung keine Alibiveranstaltung ist. Deshalb werden wir die Vorschläge, wie das Gesetz besser gemacht werden kann, jetzt überprüfen und dann abschließend in der Koalition beraten.“