Die Nachfolgerin von Martin Daum hat eine ungewöhnliche Karriere hinter sich, unter anderem als Leistungssportlerin. Welche Erwartungen der Aufsichtsrat an sie hat – und wie ein unterlegener Kandidat auf ihre Ernennung reagierte.
Der Aufsichtsrat von Daimler Truck schickt die neue Konzernchefin Karin Radström mit einer äußerst ehrgeizigen Zielvorgabe ins Rennen. „Mittel- bis langfristig wollen wir als größter Hersteller von Nutzfahrzeugen auch der profitabelste und an der Börse der wertvollste sein“, sagte Aufsichtsratschef Joe Kaeser am Donnerstag. Kann die ehemalige Profi-Ruderin Radström Daimler Truck in diese Richtung navigieren?
Am Tag vor Kaesers Auftritt hatte das Gremium beschlossen, dass die Schwedin bereits zum 1. Oktober den Posten von Martin Daum an der Spitze des Dax-Konzerns mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen übernimmt. Es sollte der 45-Jährigen dabei zugute kommen, dass sie selbst Durchhaltewillen für eine ihrer zentralen Stärken hält.
Radström: Aus dem Rudersport kommt „eine gewisse mentale Stärke“
In einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ hat sie es einmal so beschrieben: „Ich gebe nicht so schnell auf. Das kommt sicher auch daher, dass ich aus dem Rudersport komme und dadurch eine gewisse mentale Stärke mitbringe. Und ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch, der viel Energie hat und daran glaubt, dass man im Team viel erreichen kann – oft sogar mehr, als man zunächst gedacht hat.“
Wer ist Karin Radström und welche Anforderungen werden an sie in ihrer neuen Rolle gestellt? Die Frau aus Södertälje in der Nähe von Stockholm landete 2004 eher zufällig in der Lkw-Branche, wurde dann aber zur überzeugten Truckerin samt Führerschein für Lastwagen mit Anhänger. Nach dem Ingenieurstudium in Stockholm war der Lkw-Hersteller Scania das erste Unternehmen, das ihr eine Stelle anbot. Vom Trainee stieg sie in 15 Jahren zum Vorstandsmitglied für Vertrieb und Marketing auf.
Bis 2010 betrieb sie parallel erfolgreich Leistungssport, gehörte dem Rudernationalteam an und wurde mehrmals schwedische Meisterin im Zweier. Noch vor Abspaltung der Trucksparte folgte sie 2021 dem Werben ihres schwedischen Landsmanns Ola Källenius und wurde Chefin der Lkw-Marke Mercedes-Benz, im Truck-Vorstand dann zuständig für Europa und Lateinamerika.
Joe Kaeser beschreibt Karin Radström als „extrem an den Kunden orientiert, gleichzeitig unprätentiös und offen“. Sie bringe ihren Mitarbeitern viel Vertrauen entgegen und habe Mercedes in kurzer Zeit aus einem „Nullprofit-Segment“ in respektable Gewinnzonen geführt. „Sie hat bewiesen, dass sie die Transformation einer Marke erfolgreich vorantreiben und gleichzeitig ein herausforderndes externes Umfeld meistern kann“, so Kaeser. Dies solle sie nun „mit ganz Daimler Truck so fortsetzen“. Radström sei jung genug, um zwei Vorstandsperioden lang an der Spitze stehen zu können, was ein wichtiges Auswahlkriterium gewesen sei.
Der Vorgänger hat den schnellen Wechsel selbst vorgeschlagen
Es sei Martin Daums Vorschlag gewesen, dass die Nachfolgerin bereits im Oktober übernimmt, sagte Kaeser. Daum habe das Unternehmen sehr erfolgreich und „in unfassbar souveräner Weise“ geführt. „Jetzt sagt er: Wir lassen die Jungen ran. Das ist sehr beachtlich“, so Kaeser. Bis Ende des Jahres stehe der 64-Jährige der neuen Chefin noch beratend zur Seite, während sie die Budgets planen soll, die sie dann auch zu verantworten hat. Wie hoch die Erwartungen sind, zeigt sich an den Messlatten, die Kaeser bei der Gelegenheit gleich noch öffentlich aufstellte.
Die neue Chefin soll nicht nur die eigene Nachfolgerin an der Spitze der Europadivision finden, sie müsse auch die konjunkturelle Nachfrageschwäche bewältigen. Das weist auf verschärfte Sparmaßnahmen hin. Die Belegschaft in Wörth befindet sich derzeit teils schon in Kurzarbeit. Kein Wunder, dass der Gesamtbetriebsratschef und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Michael Brecht mehrfach betonte, auch das „tolle neue Führungsteam“ müsse alle Herausforderungen „gemeinschaftlich mit der Belegschaft“ bewältigen. Raue Töne wie derzeit bei VW in Wolfsburg seien nicht nötig, meint Brecht.
Klare Ziele nannte Kaeser auch mit Blick auf den Gewinn. Zwar würdigte er Daums Leistung, aus einer Sparte mit drei bis vier Prozent Umsatzrendite ein selbstständiges Unternehmen mit zweistelliger Rendite geformt zu haben. Auf Dauer aber müsse mehr drin sein. Er könne keinen Grund sehen, warum Daimler Truck an der Börse nur etwa halb so viel wert sein soll wie der größte amerikanische Konkurrent. Der Paccar-Konzern, zu dem etwa die Marke DAF gehört, steht derzeit bei 50 Milliarden US-Dollar (rund 44 Milliarden Euro), Daimler Truck bei 26,4 Milliarden Euro.
Das Ziel für die Umsatzrendite: Besser sein als die besten Konkurrenten
Auch bei der Umsatzrendite wolle man zulegen, sagte Kaeser. Zwar seien zehn Prozent schon beachtlich, „zur Wahrheit gehört aber auch, dass die besten Wettbewerber 14 bis 15 Prozent schaffen“. Karin Radström, so viel scheint klar, wird den Ehrgeiz brauchen, der sie schon als Sportlerin ausgezeichnet hat.
Dass ihr dabei der Technikvorstand Andreas Gorbach, der auch ein Kandidat für die Daum-Nachfolge war, nach Kräften zu Seite stehen wird, steht für Kaeser außer Frage. Gorbach sei ein „unheimlich starker Vorstand – menschlich wie fachlich“, ein „Technikfreak, der sich Daimler Truck zur Lebensaufgabe gemacht hat“. Als er Gorbach am Mittwoch informiert habe, dass die Entscheidung auf Karin Radström hinauslaufe, habe dieser sofort gesagt: „Super!“
Das waren die anderen Kandidaten
Andreas Gorbach
Der 49-Jährige verantwortet als Entwicklungschef die Antriebstechnologien und damit ein Schlüsselthema im Lkw-Konzern.
Karl Deppen
Der Manager verantwortet das Asiengeschäft und ist damit unter anderem für die Märkte in China, Indien und Japan zuständig.