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In Robert Ickes „Iwanow“ nach Anton Tschechow steht Dagmar Schneider als Statistin auf der Bühne. Die Köngenerin lernt von den Auftritten nicht nur viel, was Bühnenpräsenz angeht. Sie genießt auch die Zusammenarbeit mit den Theaterprofis des Schauspiels Stuttgart.

Köngen/StuttgartZur Musik von „Viva La Vida“ der Band Coldplay tanzen die Festbesucher. Im Bühnenbild von Hildegard Bechtler sind in der Inszenierung des britischen Starregisseurs Robert Icke nur Schatten zu sehen. Hartes Sounddesign peitscht auf die Menschen ein. Vor ausverkauftem Haus im Staatsschauspiel Stuttgart ist das für die Statistin Dagmar Schneider aus Köngen jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung. Wie sie die meistert? „Man muss damit aufhören, sich und den anderen etwas vorzuspielen. Einfach sich selbst sein, authentisch bleiben.“ Das lässt sich für die Schwäbin mit der natürlichen Art aufs tägliche Leben übertragen.

Ganz lässig beginnt die Festszene in „Iwanow“ nach dem russischen Schriftsteller Anton Tschechow in einer Bearbeitung Robert Ickes. Die Statisten stehen in Grüppchen beieinander. „Wir unterhalten uns übers Weihnachtsessen“, verrät Dagmar Schneider. Das bekommen die Zuschauer natürlich nicht mit. Das Gespräch mit ihrem Partner muss auf der Bühne einfach echt wirken. Das haben sie und die anderen Mitglieder der Statisterie geprobt, immer wieder. Als Hauptdarsteller Benjamin Grüter, der die Hauptfigur Nikolas spielt, tiefer und tiefer in seine Depression fällt, zieht er die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich. Diesen Übergang überzeugend zu spielen, fordert die Köngenerin heraus. Mit Blicken und Gesten grenzen die Männer und Frauen den kranken Mann aus. „Diese Härte zu zeigen, das ist nicht immer ganz einfach.“

Für die Sängerin Dagmar Schneider, die hauptberuflich bei der Gemeinde Köngen angestellt ist, ist der kleine Part im „Iwanow“ nicht die erste Statistenrolle. Die kulturbegeisterte Verwaltungsfachfrau, zu deren Aufgaben die Organisation der Köngener Kulturtage gehört, hat schon bei Georg Schmiedleitners Inszenierung von Gerhart Hauptmanns naturalistischem Hauptwerk „Die Weber“ mitgewirkt. Da ist sie Teil eines Sprechchors. „Es war anspruchsvoll, mit den anderen den Rhythmus zu halten“, blickt die geübte Sängerin auf diese Erfahrung zurück. Auch das Text lernen gehörte dazu. Außerdem ist der Chor da sehr viel länger als im „Iwanow“ auf der Bühne präsent. Die intensiven Proben haben Schneider gefordert, „da sind Disziplin und Durchhaltevermögen wichtig.“ Gemeinsam mit anderen den Chor der Arbeiter auf die Bühne zu bringen, das hat die musikalische Statistin fasziniert.

„Natürlich ist es auch interessant, die bekannten Regisseure am Staatstheater zu erleben“, schwärmt Schneider. Ihr macht es Freude, sich auf unterschiedliche Regiestile einzulassen. Als Kulturveranstalterin in Köngen gehört es zu ihren Aufgaben, die Künstlerinnen und Künstler zu betreuen. „Weil ich weiß, was es bedeutet, auf der Bühne zu stehen, verstehe ich sie manchmal auch ohne Worte. Das ist vor den Auftritten einfach wichtig.“ Mit ihrer Kollegin Iris Hermann ist der engagierten Köngenerin daran gelegen, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. „Wer bei uns auftritt, soll sich wohlfühlen.“ Dass Kommunikation und Organisation den beiden temperamentvollen Frauen liegen, ist schnell zu spüren.

Die Auftritte als Statistin sind für Dagmar Schneider „ein Ausflug in eine andere Welt“. Das beginnt für sie beim „Iwanow“ schon mit der Maske. Auch die Statistinnen und Statisten werden da geschminkt, jeder hat seinen festen Zeitplan. „Vor den Auftritten sind die Zeiten da ganz straff getaktet“, erzählt Schneider. Zuspätkommen geht gar nicht. Dennoch genießt sie die Momente der Ruhe, wenn die Maskenbildnerin sie schminkt und die langen Haare zu einer festlichen Frisur hochsteckt.

Ihre gelegentlichen Auftritte als Statistin sind für Dagmar Schneider eine wichtige Erfahrung. „Wir werden am Stuttgarter Schauspiel von Isabelle Grupp prima betreut“, ist sie voll des Lobes für die „professionellen und doch herzlichen“ Strukturen am Staatsschauspiel. Die Termine werden geplant und dann per Whatsapp an alle verschickt. „Alles klappt reibungslos“, findet Schneider. Es sei einfach wichtig, eine direkte Ansprechpartnerin am Theater zu haben.

Auch das Miteinander mit dem Schauspielensemble genießt sie sehr. „Man fühlt sich als Team, da stimmt die Chemie.“ Im „Iwanow“ ist sie nicht in jeder Vorstellung dabei, die Statisten wechseln sich ab. Manchmal ist Schneider auch als Ersatzfrau dabei, falls sich jemand in der Vorstellung verletzen sollte. Dann nutzt sie die Chance, ihre Kolleginnen und Kollegen mal aus der Distanz zu beobachten. Davon nehme sie immer wieder ganz neue Eindrücke mit.

Kunst ist schon seit Jahren die Leidenschaft der dreifachen Mutter. Da ihre Kinder jetzt erwachsen sind, hat sie eher die Möglichkeit, ihre Leidenschaften zu pflegen. Sie sang auch im Chor des Stuttgarter Musicals „Der Glöckner von Notre Dame“ mit. Gemeinsam mit der Pianistin Julia Lerner und mit Peter Rinkefeil hat sie im Köngener Schloss ihren ersten Gesangsabend absolviert. Das will die Sängerin, die seit Jahren Unterricht nimmt, auch weiter pflegen. Wichtig findet sie es, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzten. „Es ist schön, wenn man dann mal ein gemeinsames Projekt realisieren kann.“ Eine Freundschaft pflegt Dagmar Schneider zu der Sopranistin Sarah Behrendt, die den „Glöckner“-Chor leitete. Von der gefragten Sängerin, die an der Universität der Künste in Berlin studierte, lerne sie viel.

Dagmar Schneider ist keine, die auf der Stelle tritt. „Ich will mich stetig entwickeln“, bringt sie ihren Anspruch auf den Punkt. An sich zu arbeiten, ihre Stimme zu schulen und das Selbstbewusstsein für ihre eigenen großen Auftritte zu stärken, das ist ihr Ziel. Weil sie es einfach liebt, sich in unterschiedlichen künstlerischen Genres zu bewegen, träumt die Sängerin nun davon, mal in einer Operette mitzuwirken. „Davon ist das Publikum ja bis heute fasziniert, von den bekannten Melodien geht so ein Zauber aus.“

Glücklich ist die Köngenerin, dass sie sich auch bei der Verwaltung mit Kulturveranstaltungen beschäftigen darf. Um das Programm der Kulturtage zu planen, ist sie viel bei Konzerten und im Theater unterwegs. Ihre Familie ist stolz darauf, dass sie obendrein Konzerte gibt und als Statistin auftritt. „Mein Mann und die Kinder kommen eher vom Sport“, erzählt sie lachend. Den „Iwanow“ aber hätten alle gesehen. Ihr Mann staunte, ebenso wie die Kinder, wie souverän sie sich auf der großen Bühne bewegt. Ihre Leidenschaft für Musik und Theater steckt nicht nur ihre Familie an.