Joachim Nischler, Besitzer des Hotels Lindenhof, sieht Südtirol als Sündenbock. Foto: andreas.marini photographie

Nachdem Südtirol als Corona-Risikogebiet eingestuft wurde, haben die dortigen Hoteliers mit gravierenden Einbußen durch die kurzfristigen Absagen ihrer Gäste zu kämpfen – auch der Hotelbesitzer Joachim Nischler aus Naturns.

Stuttgart - Nachdem auffällig viele Urlaubs-Rückkehrer mit dem Coronavirus infiziert waren, hat das Robert-Koch-Institut in Berlin Südtirol zum Risikogebiet erklärt. Der Hotelier Joachim Nischler, Besitzer des Lindenhof in Naturns, kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen – und klagt über massive Ausfälle.

Herr Nischler, Südtirol wurde vom Robert-Koch-Institut inzwischen als Risikogebiet eingestuft. Welche Auswirkungen hat das auf Sie?

Bei uns im Hotel Lindenhof, das 80 Zimmer hat, war am Donnerstag Saisoneröffnung. An dem Tag war noch alles normal. Doch seit die Einstufung da ist, werden wir von Telefonanrufen und Stornierungen aus Deutschland überrollt. Das trifft uns natürlich hart. In der Vorsaison bis Ostern hätten wir eine Auslastung von 80 Prozent gehabt, nun sieht es schlimmstenfalls nach gerade noch zehn Prozent aus. Wir stehen zwar nicht im ständigen Austausch, aber von Kollegen habe ich Ähnliches gehört. Das kann die Wirtschaft lahmlegen, in Südtirol, in ganz Italien.

Was für Gründe geben die Leute für ihre Stornierung an?

Einige fürchten tatsächlich Gefahr, andere müssen absagen, weil sie ihre Kinder nach der Rückkehr nicht betreuen könnten. Die dürften ja dann zwei Wochen lang nicht in die Kita. Oder weil sie vom Arbeitgeber angewiesen sind, danach nicht ins Büro zu kommen, aber kaum Möglichkeiten zum Homeoffice haben.

Wie halten Sie es mit Stornogebühren?

Wir verstehen, dass unsere Gäste besorgt sind. Viele kommen seit Jahren zu uns, auch aus Stuttgart. Daher sind wir kulant und verlangen keine Gebühr, obwohl wir es rein rechtlich gesehen könnten. Denn Südtirol ist ja kein Sperrgebiet, wir stehen auf keiner Roten Liste. Und wenn Sie mich fragen, sind wir nicht mal ein Risikogebiet.

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Wie meinen Sie das?

Es gibt bei uns in Naturns keine Corona-Fälle, wie es ja in ganz Südtirol - Stand jetzt - sowieso nur zwei bestätigte Fälle gibt. Ich weiß nicht, wie und wo sich die deutschen Urlauber angesteckt haben, vielleicht bei infizierten italienischen Touristen aus betroffenen Gebieten wie der Lombardei oder auf der Rückreise an der Autobahnraststätte. Bei uns im Dorf läuft jedenfalls alles wie gehabt. Wir gehen arbeiten, zum Einkaufen ohne zu hamstern, ins Restaurant, etwas trinken. Und das Wetter ist derzeit fantastisch. In den Skigebieten liegt Neuschnee, und hier in der Gegend beginnt gerade der Frühling.

Sie sehen keine Gefahr?

Natürlich haben wir das Corona-Problem. Weltweit. Und ja, man sollte vorsichtig sein, sich zum Beispiel öfter und sorgfältig die Hände waschen. Ich bin kein Virologe oder Mediziner, sondern nur ein kleiner Hotel-Besitzer. Doch meiner Meinung nach gibt es keinen Grund zur Panik. Ich verstehe nicht, warum gerade wir Südtiroler verantwortlich gemacht werden, warum wir fast schon wie Aussätzige behandelt werden. Es handelt sich um eine Krankheit mit grippeähnlichen Symptomen – und nicht um Ebola oder ähnlich Furchtbares. Aber klar, jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er reisen möchte oder nicht.

Sie sagen, die Deutschen stornieren. Die anderen Gäste nicht?

Der Großteil unserer Gäste kommt aus Deutschland. Aber in der Tat, bis jetzt zumindest hat noch kein Schweizer oder Österreicher storniert. Und es haben auch einige deutsche Gäste angerufen und gesagt: „Jetzt erst recht. Wir halten euch die Treue“.

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Können Sie sich an eine ähnliche Krise erinnern?

Nein, so eine Stornierungswelle hatten wir noch nie.

Sind Sie abgesichert?

Ich sehe keine Chance, dass irgendeine Versicherung meine riesigen Ausfälle übernimmt. Auch der Staat wird nicht für unsere Branche einspringen können, dafür steht kein Geld zur Verfügung. Wir hatten im Hotel erst vor kurzem einen großen Umbau, haben dafür massiv investiert und sind für unseren neuen Wellness-Bereich auch ausgezeichnet worden. Ich habe 70 Mitarbeiter, gerade geht noch alles den gewohnten Gang. Aber ich weiß nicht, was morgen ist.

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Ich weiß es noch nicht. Aber ich mache mir wirtschaftlich gesehen große Sorgen, nicht nur um mich. Denn das Ganze zieht ja einen Rattenschwanz nach sich, für ganz Italien. Schon jetzt sind zum Beispiel Zulieferer betroffen. Ich kann trotzdem sagen, dass wir uns im Lindenhof nicht anstecken lassen, jedenfalls nicht von Angst und Panik. Das Essen und der Service bei uns sind so gut wie in der vergangenen Saison – und die Berge stehen überraschenderweise auch noch. Ich hoffe, dass der Spuk in zwei, drei Wochen vorbei ist. Dass wir an Ostern wieder normalen Betrieb haben. Und dass in einem halben Jahr keiner mehr von Corona spricht.