Das Bezirksrathaus im Stuttgarter Bezirk Degerloch. Foto: Philipp Weingand

Zu den geplanten beiden kleinen Impfzentren in der Stuttgarter Innenstadt kommt noch eine Impfstelle in Degerloch. Dort kämpft der Bezirksvorsteher nach leidvoller Erfahrung gegen die Pandemie.

Stuttgart - Lange war nicht sicher, ob Marco-Oliver Luz wieder der Alte werden würde, ob er wie bisher sein Amt als Degerlocher Bezirksvorsteher ausüben könnte. Im April vergangenen Jahres hatte sich der heute 45-Jährige mit dem Coronavirus infiziert. Danach kam es für den bis dahin sehr sportlichen Mann ganz hart: Sechs Wochen lag Marco-Oliver Luz auf der Intensivstation, zwei Wochen wurde er künstlich beatmet, fünf Tage im künstlichen Koma. „Fünf Prozent Überlebenschance“, erinnert er sich.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Zurückgekehrt aus der „Covid-Hölle“

Und damit war die Sache keineswegs ausgestanden. Nach vier Monaten ging der Bezirksvorsteher zwar wieder zur Arbeit. Nur: „Unter 60 Stunden die Woche geht das nicht“, sagt Luz. Noch immer hatte er am Abend oft Atemnot, spuckte in der Nacht manchmal Blut. Als er wieder spazieren ging, war er „froh, dass es Ruhebänke gibt“ an der Strecke. Erst im September, einhalb Jahre nach der Infektion, sagte ihm sein Lungenarzt, dass er geheilt sei, der 45-Jährige ist inzwischen beschwerdefrei. Aber selbst heute wagt sich Luz noch nicht richtig ans Joggen, geschweige denn an einen Halbmarathon wie früher.

Im Trauzimmer wird bald geimpft

Diese „leidvolle Erfahrung“ hat den Blick des Bezirksvorstehers auf die Coronapandemie geprägt. Der Kampf gegen diese sei ihm „ein persönliches Anliegen“. So gehörte der Bezirk zu den ersten in Stuttgart, die eine Schnellteststelle hatten. Und jetzt bekommt Degerloch eine feste Impfstelle – im Bezirksrathaus. Möglich wird das Impfangebot dank der Kooperation mit der Firma SW Healthservices. Diese sei durch zwei Degerlocher Jungunternehmer gegründet worden, sagt Marco-Oliver Luz, „die beide aktiv im Impfzentrum Liederhalle und in verschiedenen Testzentren in der Stadt mitgewirkt haben“. Man kennt sich: Johannes Wagner und Michael Staudenmaier, der eine Oberarzt im städtischen Klinikum, der andere Betriebswirt und Unternehmer, sitzen im Vorstand des DRK Degerloch. Als die Firma, die Betriebsimpfungen organisiert hat, Räume für ein Impfprojekt suchte, bot Marco-Oliver Luz eine Fläche im Bezirksrathaus an. Da Trauungen wegen der Coronavorgaben derzeit ohnehin im Sitzungssaal vorgenommen werden, dient das eigentliche Trauzimmer als Impfstelle, vorerst bis zum Jahresende.

Am 10. November geht’s los: zweimal die Woche, am Mittwoch während des Wochenmarkts von 9 bis 12 Uhr, am Donnerstag von 15 bis 18 Uhr. Ein Impftermin ist nicht notwendig, geimpft wird mit Biontech. Das sei mit dem städtischen Gesundheitsamt und mit der Kassenärztlicher Vereinigung (KV) Baden-Württemberg abgestimmt, sagt Marco-Oliver Luz. Man wolle „die vorhandene Infrastruktur unterstützen – die Hausärzte sind zum Teil doch am Limit“.

Impfquote steigt nur in kleinen Schritten

Anfang November werden auch in zwei leeren Läden in der Klett-Passage und im Milaneo kleine Impfzentren eingerichtet. Überdies will die Stadt neben dem großen Impfbus einen kleinen Transporter für Impfaktionen einsetzen. „Keiner muss Angst haben, dass er nicht an eine Impfung kommt“, sagt Hans-Jörg Wertenauer, Hausarzt und Pandemiebeauftragter der KV für Stuttgart. Nach den am Dienstag vom Land veröffentlichten Zahlen ist die Quote der vollständig Geimpften in Stuttgart innerhalb einer Woche von 60 auf 60,4 Prozent gestiegen. Marco-Oliver Luz hofft, dass Ungeimpfte in großer Zahl die niederschwelligen Angebote wahrnehmen, dass ihnen ein Schicksal wie ihm erspart bleibt. „Impfungen sind da der einzige Weg“, sagt der Bezirksvorsteher.