Felix Heck (links) und Kiriakos Doulgeris packen im Cap-Markt mit an. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Über das Internet hat die Cap-Gruppe im Südwesten nach Corona-Helden für ihre Märkte gesucht. Wir haben den Selbstversuch in einem Markt in Stuttgart gewagt.

Stuttgart - Es ist kurz nach zehn Uhr, als sich die Oberarme zum ersten Mal bemerkbar machen. Mit einem Schlag schießt die Milchsäure in den stark vernachlässigten Bizeps, während die Etiketten im Regal langsam vor den Augen verschwimmen. Die erste Lehre des Selbstversuchs im Cap-Markt am Hölderlinplatz im Stuttgarter Westen steht damit schon wenige Minuten nach Arbeitsbeginn fest: Wer als Aushilfe im Einzelhandel bestehen will, braucht einiges an Kondition. Denn die vollgeladenen Rollbehälter schieben sich nicht von allein – Ladung um Ladung will im richtigen Regal verstaut werden.

Wie gut, dass der Autor dieser Zeilen nicht der einzige freiwillige Helfer an diesem Morgen ist: Während er noch seine schmerzenden Oberarme bemitleidet, wuchtet Kiriakos Doulgeris bereits den nächsten Karton H-Milch aufs oberste Regalbrett. Nachdem sein eigentlicher Arbeitgeber Kurzarbeit angemeldet hatte, entschied sich der Familienvater kurzerhand für eine Bewerbung im Stuttgarter Westen.

Mit einem großen Aufruf hatten die Cap-Märkte zuvor um freiwilliges Engagement geworben. Denn anders als die Lebensmittelriesen baut der Einzelhändler bei seiner Belegschaft auf die Inklusion geistig und körperlich behinderter Menschen. In der Coronakrise gehören manche von ihnen der Risikogruppe an – in einigen Filialen kämpft Abteilungsleiter Jörg Moosmann von der Neuen Arbeit deshalb mit massivem Personalmangel.

200 Rückmeldungen von Ehrenamtlichen

Mit der Ehrenamtskampagne habe man die Personalsituation auffangen wollen, so Moosmann. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: „Wir haben innerhalb weniger Tage etwa 200 Rückmeldungen bekommen, die nun Schritt für Schritt abgearbeitet und auf die einzelnen Märkte verteilt werden. Ich hoffe, dass uns am Ende bis zu 70 Prozent davon als dauerhafte Corona-Helden erhalten bleiben.“

Kiriakos Doulgeris ist einer der ersten, der sich am Einräumen versuchen darf. Körperliche Arbeit sei er eigentlich weniger gewöhnt, berichtet er: „Es ist einfach Wahnsinn, was die Leute im Einzelhandel alles aushalten müssen. Und das oft über Jahre hinweg.“

Viel Zeit zum Quatschen bleibt nicht: Die Marktleiterin ruft bereits zur nächsten Einsatzstelle, das frisch eingetroffene Duschgel will versorgt werden. Kaum am Regal angekommen, gibt ein festes Schema den Rhythmus der nächsten halben Stunde vor: Karton schnappen, mühselig den richtigen Platz im Markt suchen, in die Hocke gehen oder auf Zehenspitzen tippeln, um Flasche für Flasche ins Regal zu bugsieren.

Alles andere als ein Kinderspiel

Was sonst wie ein Kinderspiel aussieht, stellt sich im Selbstversuch als Hochleistungssport heraus. Nach der letzten Nivea-Dose ist Schluss, das Ergebnis steht für den Autor schon nach wenigen Stunden an der Verkaufsfront fest: Der Platz im Homeoffice ist definitiv bequemer. Beim Einkaufen die Seiten zu wechseln, ist trotzdem eine Erfahrung wert: Wer sich einmal am Auffüllen der Regalwände versucht hat, schimpft so schnell über keinen Supermarktmitarbeiter mehr.