Das Coronavirus hat auch die Stuttgarter Gastronomie in eine tiefe Krise gestürzt . Foto: Leif-Hendrik Piechowski

In der Coronakrise gibt Bezirksvorsteherin und grüne OB-Kandidatin Veronika Kienzle die Krisenmanagerin. Sie will zu gegebener Zeit die Außenbereiche von Gastronomien massiv vergrößern, um Pleiten zu verhindern. Der Plan ruht noch in der Schublade und ist an einige Bedingungen geknüpft.

Stuttgart - Der Sommer ist gerettet, trotz Coronavirus. Zumindest für einige Gastronomen könnte sich das so anfühlen, falls der Plan von Veronika Kienzle, OB-Kandidatin der Grünen und aktuell Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, aufgeht. „Wenn Bund und Länder feststellen, dass Außenbereiche von Gastronomien mit gewisser Abstandsregelung wieder eröffnen können, müssen wir dafür Platz schaffen“, sagt sie. Und zwar, indem große Flächen des öffentlichen Raums so umgewidmet werden, dass Gastronomen sich dort mit Tischen und Stühlen ausbreiten können. Selbst solche, die eigentlich gar keine Außengastro betreiben. Stuttgart als großer Biergarten mit Sicherheitsabstand, so klingt der Plan.

Solange die Kontaktbeschränkungen gelten, ist an die Wiederaufnahme des Stuttgarter Gastrobetriebs indes nicht zu denken. Alle 14 Tage beraten Bund und Länder, ob schrittweise Lockerungen möglich sind. Womöglich kommt die Gastro bei den Einrichtungen, die wieder aufmachen dürfen, ganz am Schluss. Das weiß auch Veronika Kienzle. „Viele Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand, zumal die Miet-Pacht-Preise exorbitant sind“, sagt Kienzle. Der Hotellerie- und Gaststättenverband Dehoga rechnet damit, dass in Baden-Württemberg 10.000 Betriebe wegen der Coronakrise schließen müssen.

Wann und wie die Gastronomie – wahrscheinlich stufenweise – zur Normalität zurückgeführt werden soll, darüber kann nur spekuliert werden. Bayern Ministerpräsident Markus Söder (CSU) brachte zumindest für Restaurants Pfingsten als denkbaren Termin ins Spiel. Einen Plan für den Tag nach dem Shutdown in der Schublade zu haben, findet Kienzle gerade deshalb wichtig: „Mir ist wichtig, dass es keine verzweifelten Existenzen im Bezirk gibt, die aufgrund der Krise unter einem Schuldenberg kaputt gehen – das würde mir sehr weh tun.“

Kienzle will Außengastronomie auf Parkflächen

Verwaltungstechnisch will Kienzle die Erweiterung der Außengastronomie zu gegebener Zeit ohne Gemeinderatsbeschluss umsetzen, zunächst im Stadtbezirk Mitte, für den sie sich als Bezirksvorsteherin verantwortlich fühlt und der die meisten Gastro-Betriebe in Stuttgart beheimatet. „Die Bezirksbeiräte können das zusammen mit dem Amt für öffentliche Ordnung, der Polizei und der Feuerwehr tun“, sagt sie. Es heißt, dass der Stuttgarter Westen, dem mit Bernhard Mellert ebenfalls ein Grüner vorsteht, mitziehen will.

„Wenn beispielsweise 1,50 Meter Abstand gehalten werden sollen, kann ein Gastronom dort, wo früher sechs Menschen saßen, vielleicht nur noch zwei bewirten“, rechnet Kienzle vor. Gehwege müssten frei bleiben und für jeden Betrieb individuelle Lösungen gefunden werden. „Das können zum Beispiel die Flächen vor einem Haus weiter sein oder anderweitig umgenutzte Flächen, die wir interimsmäßig umnutzen könnten“, sagt Kienzle zu den Details der außengastronomischen Lösung.

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Wobei für Kienzle die Prioritäten bei denkbaren Konflikten recht klar ist. Wenn es um die Frage Parkplatz oder Außenbestuhlung geht, sagt Kienzle: „Natürlich können Parkflächen entwidmet werden – das hat damals mit den Flächen vor dem Café Stella angefangen.“ Außerdem falle aktuell der Parksuchverkehr großteils weg, da es ja keine Veranstaltungen gebe, die viele Menschen in den Kessel ziehen.

Signal für die OB-Wahl?

Bei Stuttgarter Gastronomen und Clubbetreibern kommen Veronika Kienzles Pläne sehr gut an. Ralf Bauer vom Club White Noise bei der Stadtbahnhaltestelle Rathaus kennt Kienzles Idee bereits aus einer Video-Schaltkonferenz Mitte der Woche, wo die Bezirksvorsteherin ihre Idee in kleinem Kreis erstmals vorgestellt hatte. „Gastronomen fressen sich einen Winterspeck an, um das Sommerloch zu überstehen“, sagt er. Die Ungewissheit mache mürbe. „Wenn wir im Sommer draußen bewirten könnten, wäre viel geholfen“, sagt Bauer.

Der Frage, inwieweit Kienzles Engagement für Gastronomen mit ihrer Bewerbung als Oberbürgermeisterin in Zusammenhang steht, jetzt die Krisenmanagerin zu geben, beantwortet sie zurückhaltend: „Ich habe mich immer für die Stadt eingesetzt und mache das jetzt seit 16 Jahren.“ Da man für kommerzielle Betriebe, was Gastronomien sind, keine finanziellen Sonderspritzen finden werde, müsse man jetzt so denken: „Da, wo früher im öffentlichen Raum zurecht restriktiv geguckt wurde, eine Sitzbank zu erhalten, die man nutzen konnte, ohne dort einen Kaffee trinken zu müssen, sollten wir jetzt schauen, wo Lockerungen möglich sind.“

Ob das am Ende reicht? Für alle wahrscheinlich nicht, glaubt Kienzle. Darum sei die Vergrößerung der Außengastro auch nur einer von vielen Lösungsansätzen: „Es gibt in Stuttgart Ecken, die sehen schlimm aus. Wenn es dort keine anspruchsvolle Gastro mehr gibt, wäre das ganz furchtbar.“ Darum sollten auch Hauseigentümer und Versicherer Interesse daran haben, dass die Gastronomen bleiben können – und nicht beim ersten Mietverzug mit Kündigung drohen.