Sollen die letzten Corona-Maßnahmen kurzfristig fallen oder erst, wie gesetzlich vorgesehen, im April? In der Ampelkoalition gibt es darüber anhaltenden Streit. Vielleicht liegt die Lösung in der Mitte.
Die Frage, ob in der Bahn weiter Maske getragen werden sollte, spaltet die Bundesregierung: Eine Annäherung in der Diskussion über eine mögliche schnelle Aufhebung der noch verbliebenen Corona-Schutzmaßnahmen ist weiterhin nicht in Sicht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich am Mittwoch indirekt gegen ein sofortiges Maßnahmen-Ende aus und stellte sich damit an die Seite von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der entsprechende Forderungen aus der FDP bereits zurückgewiesen hatte. Politiker der Freien Demokraten bekräftigten ihre Forderungen dagegen erneut. Innerhalb der Bundesregierung wird nach Angaben von Sprechern nach einer Lösung gesucht.
Kanzler verweist auf bestehendes Infektionsschutzgesetz
Nach dem aktuellem Infektionsschutzgesetz gelten die verbliebenen Maßnahmen auf Bundesebene, etwa die FFP2-Maskenpflicht in Fernzügen und Fernbussen sowie Masken- und Testpflichten im medizinischen und im Pflegebereich noch bis zum 7. April. Der Bundeskanzler sei der Ansicht, dass es eine gute Vereinbarung gebe, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Mittwoch in Berlin. Lauterbach habe deutlich gemacht, dass nach jetzigem Stand über den 7. April hinaus keine Verlängerung der Maßnahmen nötig sein würde. „Insofern ist das die Position des Bundeskanzlers.“
Lauterbach lässt Hintertürchen offen
Die Debatte über ein sofortiges Ende aller Corona-Beschränkungen war neu aufgeflammt, nachdem der prominente Virologe Christian Drosten in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ unter anderem gesagt hatte, nach seiner Einschätzung sei die Pandemie vorbei. Als Reaktion hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gefordert, „die letzten Corona-Schutzmaßnahmen“ zu beenden. Das wäre per Verordnung der Bundesregierung möglich.
Lauterbach hatte die Forderung unter Verweis auf volle Kliniken, überlastetes Personal und eine Übersterblichkeit zurückgewiesen. Allerdings ließ er am Dienstagabend im Interview des ZDF-„heute journals“ auch ein Türchen offen: „Ob wir bis April daran festhalten, das werden wir sehen.“
Kliniken für Maßnahmen bis Ende Februar
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) plädierte dafür, die Maßnahmen wenigstens noch bis Ende Februar aufrechtzuerhalten. Bis dahin sollte man noch Geduld haben, sagte der Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß am Mittwoch dem Sender „Welt“ und appellierte an die Bevölkerung, die Regelungen noch bis dahin mitzutragen. Auch Gaß verwies auf eine aktuell „sehr angespannte“ Lage in den Krankenhäusern und sprach von relativ vielen Patienten mit Infektionskrankheiten wie Grippe, Corona und Infekten mit RS-Viren bei gleichzeitig hohen Personalausfällen. Masken schützten auch vor anderen Infektionen, sagte er.
FDP sieht keine Rechtsgrundlage mehr für Maskenpflicht
FDP-Politiker weisen eine solche Argumentation zurück. Der entsprechende Paragraf 28b des Infektionsschutzgesetzes ebne nur den Weg für staatlich verordnete Maßnahmen gegen Sars-CoV-2, sagte der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann der Deutschen Presse-Agentur. „Auf einer anderen Basis zu argumentieren, dass diese Maßnahmen gegen RS- oder Influenza-Viren hier hilfreich wären, gibt dieser Paragraf nicht her. Das wäre eine deutliche Überinterpretation und nicht verhältnismäßig.“ Ullmann fügte hinzu, aus medizinischer Sicht spielten bei Influenza und RSV Tröpfchen als Übertragungsweg eine größere Rolle. Masken sollen bei Corona vor einer Übertragung durch sogenannte Aerosole (Schwebeteilchen in der Luft) schützen.
Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer twitterte: „Die Maskenpflicht im ÖPNV, an die sich sowieso zunehmend weniger Menschen halten, sollte beendet werden.“ Es werde „allerhöchste Eisenbahn, dass die Maskenpflichten fallen“.
Wie die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Bundesregierung zusammengebracht werden sollen, blieb zunächst offen. Sprecher des SPD-geführten Bundesgesundheitsministeriums und des FDP-geführten Justizministeriums sagten am Mittwoch, es würden dazu Gespräche geführt.
Patientenschützer kritisiert Maskenstreit
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte die Diskussion: „Der Maskenstreit zeigt das Politikversagen“, sagte er der dpa. Die Parteien müssten sich ideologiefrei auf das Wichtigste konzentrieren. „Das heißt, in der Altenpflege die Hygiene, den Infektionsschutz und das Testregime konsequent umsetzen. Hier sterben immer noch viel zu viele Menschen, die sich selbst nicht schützen können.“