Zwei Monate lang unterlag Shanghai einem strikten Lockdown. (Archivbild) Foto: dpa/Chen Si

Während der Rest der Welt versucht, mit dem Virus zu leben, verfolgt China eine Null-Covid-Strategie. Der chaotische Lockdown in Shanghai war besonders umstritten. Kann jetzt Normalität zurückkehren?

Nach zwei Monaten striktem Lockdown sind in der ostchinesischen Hafenstadt Shanghai die Beschränkungen weitgehend gelockert worden. Seit Mittwoch durften die meisten der 26 Millionen Einwohner ihre Wohnungen wieder verlassen. Geschäfte öffneten. Auch wurde öffentlicher und privater Verkehr mit gewissen Einschränkungen wieder aufgenommen. Ausgenommen sind noch Nachbarschaften, die als Risikogebiete identifiziert sind. Auch sind rund 200 000 Menschen noch weiter in Quarantäne, wie Staatsmedien berichteten.

„Es ist ein surreales Gefühl“, zitierte die parteinahe Zeitung „Global Times“ den Shanghaier Wang Mohan, der am Vortag die Erlaubnis erhalten hatte, seine Wohnung verlassen zu können. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich das sagen würde, aber was ich am meisten tun will, ist zur Arbeit zu gehen. Ich habe es satt, allein zuhause festzustecken und nur nach draußen zu kommen, um meinen Mund aufzumachen und mich testen zu lassen.“

Versorgung mit Lebensmitteln und Medizin in der Kritik

Der Lockdown in dem Wirtschafts- und Finanzzentrum der zweitgrößten Volkswirtschaft war Ende März zunächst für fünf Tage über die Pudong-Seite östlich des Huangpu-Flusses verhängt worden. Doch wurden die Beschränkungen ausgedehnt und dauerten am Ende zwei Monate. Wegen unzureichender Lieferungen von Lebensmitteln, schlechter medizinischer Versorgung und teils chaotischer Verhältnisse hatte es heftige Kritik an den drakonischen Maßnahmen gegeben.

Auf dem Höhepunkt der Welle hatte es in Shanghai im April 27 000 neue Infektionen an einem Tag gegeben. Doch meldete die Metropole am Dienstag nur noch 15 neue Fälle - so wenig wie seit drei Monaten nicht mehr. Landesweit berichtete die nationale Gesundheitskommission auch nur 68 Neuinfektionen, davon 46 asymptomatisch.

Omikron erschwert Null-Covid-Strategie

Während der Rest der Welt inzwischen versucht, mit dem Virus zu leben, verfolgt das bevölkerungsreichste Land weiter eine rigorose Null-Covid-Strategie. Mit der Ankunft der Omikron-Variante kämpft China seit März aber gegen die größte Corona-Welle seit Ausbruch der Pandemie vor mehr als zwei Jahren. Chinesische Wissenschaftler warnten auch, dass eine völlige Lockerung ohne jegliche Beschränkungen zu 1,5 Millionen Toten in sechs Monaten führen könnte, da in China viele alte Menschen unzureichend geimpft sind.

Die Lockdowns und strikten Quarantäne-Maßnahmen in vielen Metropolen und Regionen haben die Wirtschaft stark abgebremst und globale Lieferketten unterbrochen. Die Shanghaier Regierung beteuerte, auf eine komplette Erholung hinarbeiten zu wollen und sich zu bemühen, „die Zeit und Verluste durch die Epidemie wiedergutzumachen“. Viele Unternehmen in Shanghai und der Nachbarprovinz Jiangsu wollen bis Mitte Juni die Produktion wieder voll hochfahren.

VW-Mitarbeiter wohnen auf dem Werksgelände

Trotz der Lockerungen wollen die Autobauer Volkswagen und Tesla ihre Arbeiter bis Ende nächster Woche weiter in „geschlossenen Kreisläufen“ arbeiten lassen, berichtete die Finanzagentur Bloomberg unter Hinweis auf informierte Kreise. Dabei wohnen die Arbeiter auf dem Gelände ohne Kontakt zur Außenwelt, womit die Risiken verringert und eine stabile Produktion gesichert werden sollen.

Regelmäßige Corona-Tests werden weiter zum Alltag gehören, auch Abstandsregeln unter anderem am Arbeitsplatz. Kindergärten, Grund- und Mittelschulen bleiben in Shanghai geschlossen. Geschäfte müssen die Zahl der Kunden auf 75 Prozent der maximalen Kapazität beschränken. Vor der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder auch beim Zutritt zu Geschäften oder Einkaufszentren in der Hafenstadt muss mit einem Code auf dem Handy ein negativer Test innerhalb von 72 Stunden nachgewiesen werden.

Ähnliche Regeln gelten auch in Peking, wo meist ein negativer Test in den vergangenen 48 Stunden nachgewiesen werden muss. Die 21 Millionen Einwohner zählende Hauptstadt, die eher einen Soft-Lockdown verfolgt hatte, hob im größten Stadtteil Chaoyang sowie in Daxing die Homeoffice-Pflicht auf und erlaubte zunächst Geschäften, wieder zu öffnen. Restaurants bleiben geschlossen. Im schwer betroffenen Stadtbezirk Fengtai galten weiter strikte Beschränkungen. Am Dienstag wurden in Peking 14 neue Corona-Fälle berichtet.