Griechenland ist derzeit kein Corona-Risikogebiet. (Archivbild) Foto: dpa/Angelos Tzortzinis

Die hochansteckende Delta-Variante des Coronavirus macht der Reisebranche Angst und Bange. Aus einigen Bundesländern werden Rufe nach Einreisebeschränkungen laut.

Frankfurt/Berlin - Mit der Ausbreitung der besonders ansteckenden Delta-Virusvariante wächst in der Reisebranche und bei Verbrauchern die Unsicherheit über die Aussichten für Urlaub im Ausland. Sollten wichtige Reiseländer wie Spanien, Griechenland oder die Türkei von der Bundesregierung als Virusvariantengebiete mit 14-tägiger Quarantänepflicht nach der Rückkehr eingestuft werden, wäre das „eine Katastrophe“, warnte Michael Buller, Sprecher des Aktionsbündnisses Tourismusvielfalt (ATV).

Der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) ist dagegen weiterhin „zuversichtlich, dass der Sommerreiseverkehr trotz Entwicklungen in einzelnen Ländern nicht gefährdet ist“, wie ein Sprecher am Dienstag sagte. Denn die geltenden Einreiseregeln sorgten für sicheres Reisen. Sie wurden am Montag von Bund und Ländern unverändert gelassen, obwohl einige Bundesländer eine Verschärfung zur Verhinderung wieder steigender Corona-Zahlen gefordert hatten.

Tourismus ist für Südeuropa lebenswichtig

Der Airline-Verband geht nicht davon aus, dass es nach Portugal noch in anderen europäischen Ländern zu Delta-Ausbrüchen kommt. „Nach unseren Informationen achten die Reisezielländer sehr auf die Einhaltung von Hygiene- und Gesundheitsauflagen und haben alle gemeinsam das Interesse, das Infektionsgeschehen gering zu halten“, erklärte der BDL. Denn für Südeuropa ist der Tourismus lebenswichtig. „Die Erholung der Wirtschaft in vielen südeuropäischen Ländern hängt davon ab, dass die Reisesaison 2021 gerettet wird“, konstatierte Tomas Dvorak von Oxford Economics. Im Juni hätten die Übernachtungszahlen in Europa knapp die Hälfte des Vorkrisenniveaus erreicht, bis August könnten sie auf 75 bis 85 Prozent steigen.

Die EU-Kommission monierte in Brüssel, die Beschränkung gegenüber Portugal stehe „scheinbar“ nicht völlig in Einlang mit dem auf EU-Ebene vereinbarten Vorgehen. Das Thema beschäftigt auch ein Spitzentreffen der Tourismuswirtschaft mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am Nachmittag. „Natürlich müssen wir die aktuelle Infektionslange auch weiter im Blick behalten und mit Blick auf die Delta-Variante umsichtig agieren“, erklärte Altmaier im Vorfeld.

Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW), der Dachverband für Inlands- und Auslandstourismus, sorgt sich über die Lage im Herbst. „Wir fordern ein Offenhalten der touristischen Betriebe im Falle einer vierten Welle, wie sie von Experten für den Herbst/Winter vorhergesagt wird“, sagte BTW-Generalsekretär Michael Rabe. Die Politik müsse dringend auf Basis der Erkenntnisse aus Modellregionen mit erfolgreichen Teststrategien einen Plan erarbeiten, um einen überstürzten weiteren Lockdown zu verhindern.

Reisebranche erholt sich dank Lockerungen

Die Reisebranche erholt sich erst durchgreifend, seit die Bundesregierung im Mai die Corona-Reiseregeln gelockert hat. Trotzdem liege der Umsatz im Sommer nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes (DRV) erst bei 25 Prozent des Vorkrisenniveaus. Bei Corona-Inzidenzen unter 200 gilt seit Mitte Mai keine Quarantänepflicht mehr, die viele Urlauber vom Buchen abhielt. Die Branche setzt darauf, dass im Sommer immer mehr Menschen geimpft sind und mit dem digitalen Impfzertifikat auf dem Smartphone ungehindert reisen können.

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Doch nach Einreise aus Virusvariantengebieten müssen auch Geimpfte zwei Wochen in Quarantäne. Diese Vorschrift verteidigte Kanzleramtsminister Helge Braun. „Wenn eine neue Variante auftritt, braucht es relativ lange, um sicherzugehen, wirkt der Impfstoff“, sagte er im ZDF. Außerdem sei offen, ob Geimpfte die Krankheit weiter übertragen können. „Daher ist es bei Virus-Varianten wichtig, dass auch Geimpfte in Quarantäne gehen.“

Bei diesen strengen Sicherheitsvorschriften solle es bleiben, erklärte der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß. Womöglich müssten die geltenden Regeln nur strenger kontrolliert werden. „Die aktuelle Diskussion um erneute Änderungen verunsichert die Menschen unnötig und kostet Vertrauen“, ergänzte Bareiß mit Blick auf Vorschläge, die Testpflicht für Reisende wieder zu verschärfen. Bundesaußenminister Heiko Maas verteidigte die Einstufung Portugals und Russlands in die höchste Gefahrenstufe.

Außenminister treffen sich in Süditalien

Eine solche Entscheidung werde auf Grundlage von Daten getroffen, die zeigten, dass dies unbedingt notwendig sei. Es werde weiterhin jedes Land einzeln geprüft, sagte Maas vor dem G20-Außenministertreffen in Süditalien. „Dort, wo es positive Entwicklungen gibt, gibt es keinen Grund, Restriktionen aufrecht zu erhalten.“

Der Deutsche Reiseverband (DRV) forderte, die Einreiseregeln nicht wieder zu verschärfen. Die Politik dürfe das Reisen nicht wieder als Virusschleuder stigmatisieren, erklärte DRV-Sprecherin Kerstin Heinen. „Pauschalreisen sind nicht für steigende Covid-Infektionszahlen verantwortlich.“ Im vergangenen Jahr hatten nach Daten des Robert-Koch-Instituts vor allem Familienbesuche in europäischen Ländern die Corona-Ansteckungen befeuert. In diesem Jahr könnte es die Fußball-Europameisterschaft sein, befürchtet die Reisebranche. Das treibt auch die Bundesregierung und Länderchefs um.

So sprach Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann von „knallvollen“ Stadien in Kopenhagen, Budapest und London. „Dieser Leichtsinn macht mich fassungslos“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.