Die Ortsvereine Baltmannsweiler und Wernau haben in der Pandemie umfangreiche Hilfsangebote entwickelt. Gleichzeitig ist die Zahl der Ehrenamtlichen allerdings stark zurückgegangen. Jetzt sind sie für den Ehrenamtspreis nominiert.
„Die Schneise der Verwüstung war sechzig Kilometer lang und 500 Meter breit. Da war einfach nichts mehr“, berichtet Martin Kuhn (51). Dem Vorsitzenden des DRK-Ortsvereins Baltmannsweiler haben sich die Eindrücke bei Hilfstransporten ins Ahrtal im Juli 2021 tief eingebrannt, zumal die Katastrophenhilfe nicht zum alltäglichen Geschäft der Ortsvereine zählt. Sanitäts- und Rettungsdienst machen das Kerngeschäft für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer auf dem Schurwald aus, während im befreundeten Ortsverein Wernau unter anderem auch noch eine Herzsportgruppe und Sprachunterricht für Geflüchtete angeboten werden.
Dass sie ausgerechnet während der Coronapandemie noch eine Flutkatastrophe in Atem hielt, außerdem Hilfskonvois in Krisengebiete und die Versorgung der Ukraine-Flüchtlinge organisiert werden mussten, war für die DRK-Ehrenamtlichen eine außergewöhnliche Belastung. Für den Ehrenamtspreis der Eßlinger Zeitung sind die beiden DRK-Ortsvereine wegen dieses besonders umfangreichen Engagements seit Beginn der Pandemie vorgeschlagen worden.
Heute Partner auf Augenhöhe
„Wir sind heute viel mehr in der Bevölkerung verwurzelt und werden als Partner auf Augenhöhe behandelt“, fasst der Wernauer DRK-Bereitschaftsleiter Matthias Aierle (39) die Erfahrungen der beiden Pandemiejahre zusammen. Und Martin Kuhn ergänzt, die DRK-Ortsgruppen fungierten inzwischen als Berater der Kommunen. Immer mal wieder rufe ein Amtsleiter an, um sich fachlichen Rat zu holen. Das erleben die Helfer als Anerkennung ihrer Arbeit. Allerdings sei die Zahl der Ehrenamtlichen seit der Pandemie um 30 Prozent zurückgegangen.
Es gehört zu ihrer Kernkompetenz, sich innerhalb von wenigen Stunden auf eine Notsituation einzustellen. Die hohe Anzahl der Hilfsanfragen und die fachlichen Herausforderungen, die aber die Pandemie mit sich gebracht hat, bedeutete auch für die beiden DRK-Ortsvereine völlig neue Herausforderungen, berichten die DRK-Fachleute. Häufig waren schnelle und unkonventionelle Ideen gefragt. So haben die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer vom DRK Wernau nicht nur einen Krautschupfnudel-Drive-in im DRK-Haus in der Daimlerstraße installiert, als der Weihnachtsmarkt pandemiebedingt ausfiel, 2019 wurde auch ein Einkaufs- und Lieferdienst eingerichtet und Stoffmasken wurden genäht, weil es noch keine medizinischen Masken zu kaufen gab. Schnelltests in der Stadthalle und im Trausaal und ein Impfwochenende für über 30-Jährige wurden angeboten. Später kam noch das Bürgertestzentrum in der Kirchheimer Straße dazu, das an sechs Tagen pro Woche von den Ehrenamtlichen betreut wurde. Und als wäre das alles nicht längst genug, sorgten im Juni 2021 die Überschwemmungen in der Stadt für zusätzliche Arbeit. Allein 80 Bautrockner hat der Ortsverein über den DRK-Landesverband organisiert und an Wernauer Bürgerinnen und Bürger verliehen, um die Hochwasserschäden zu beseitigen.
Eigene Software fürs Testzentrum installiert
Auch in Baltmannsweiler hat das DRK während Corona zahlreiche ehrenamtliche Hilfen für Bürgerinnen und Bürger angeboten. Als sich manche Menschen zu Beginn der Pandemie mangels Masken und Impfung nicht mehr in die Läden trauten, richteten die Helferinnen und Helfer ebenfalls einen Einkaufsservice ein. Wer eine Einkaufsliste schickte, bekam zweimal pro Woche die Waren vom DRK ins Haus gebracht, die die Mitarbeiter des örtlichen Edeka-Marktes zusammenstellten. Als es noch keine Coronatests gab, bot das DRK den Flüchtlingen in der Zinkstraße in einem eigens aufgestellten Zelt einen Gesundheitscheck mit täglichem Fiebermessen an, bevor die Ehrenamtlichen von Dezember 2020 an das Corona-Testzentrum im Kulturzentrum auf die Beine stellten, damit die Familien sich an den Feiertagen treffen konnten. Sogar eine eigene Software wurde entwickelt.
Nachschubprobleme waren zu der Zeit an der Tagesordnung: „Anfangs sind wir durch halb Baden-Württemberg gefahren, damit wir genug Tests hatten“, erinnert sich Kuhn. Und als später genug Tests und Schutzausrüstung zu haben waren, sorgte die Schurwaldapotheke, die die Ehrenamtlichen auch bei den Abrechnungen entlastete, für den Nachschub, eine Zusammenarbeit, die sich gut einspielte. Und Impfaktionen in Baltmannsweiler und Lichtenwald hat das DRK-Team ebenfalls angeboten.
Wie eine zweite Familie
Doch noch mal zurück ins Ahrtal: Fabian Günther (33) aus Baltmannsweiler gehörte zu den Helfern, die ein Logistikzentrum samt Feldküche in Koblenz aufbauten, Elektriker für den Aufbau eines Notstromnetzes in Marsch setzten, die Tanktouren für die Versorgung der Notstromaggregate organisierten und ein WLAN-Netz aufbauten. Erst am Abend sei den Helfern beim gemeinsamen Essen das Ausmaß der Zerstörung bewusst geworden. „Das offene Gespräch ist typisch für Hilfsorganisationen“, bekräftigt Aierle. Und wer den Großteil seiner Freizeit dem Ehrenamt beim DRK widme, für den seien die Kameraden wie eine zweite Familie. Das hat auch Philipp Ron aus Baltmannsweiler so erlebt. Viele Wochen hat der 36-Jährige die Helfer für das Corona-Testzentrum in Baltmannsweiler eingeteilt und konnte dafür auch auf Mitglieder der Feuerwehr zurückgreifen. Das Miteinander war so gut, dass er nun selbst in die Feuerwehr eingetreten ist.
DER EHRENAMTSPREIS
Initiatoren Der Ehrenamtspreis „Starke Helfer“ wird seit vielen Jahren von der Stiftung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen in Zusammenarbeit mit der Eßlinger Zeitung ausgeschrieben. Mit der Auszeichnung soll das ehrenamtliche Engagement gefördert werden. Die Preisträger werden von einer Jury aus Vertretern der Kreissparkasse und der EZ-Redaktion ermittelt.
Preisträger Die Stiftung der Kreissparkasse stellt Preisgeld in Höhe von 20 000 Euro zur Verfügung. Die Gewinner werden zu einer Abschlussveranstaltung im Herbst eingeladen, sofern die Pandemie eine Abhaltung zulässt.
Nominierte Die Ehrenamtlichen der DRK-Ortsvereine Wernau und Baltmannsweiler haben insgesamt fast 5000 Arbeitsstunden allein ins Corona-Testangebot investiert. Viel Arbeit, aber wenig Einnahmen hat die Pandemie dem DRK gebracht. Mangels Veranstaltungen in den Lockdowns sind viele Sanitätswachdienste als wichtige Einnahmequelle weggebrochen. Spürbar ist auch der Personalmangel. Seit der Pandemie hat sich das Reservoir an Ehrenamtlichen um rund ein Drittel verringert, schätzen die Verantwortlichen. Kontakt: www.drk-wernau.de und www.drk-baltmannsweiler.de