In Frankreich wird gegen die neuen Corona-Regeln protestiert. Mit dabei sind auch Vertreter der Gilets Jaunes. Foto: dpa/Rafael Yaghobzadeh

Die Corona-Proteste in Frankreich sind Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung, die den Politikern Sorge bereiten muss, kommentiert unser Frankreich-Korrespondent Knut Krohn.

Paris -

Die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Frankreich mit den sozialen Protesten der Gilets Jaunes zu vergleichen führt in die Irre. Auch der Versuch einiger ihrer Führungsfiguren, der einst mächtigen Bewegung neues Leben einhauchen zu wollen, ist zum Scheitern verurteilt. Die Gelbwesten waren entstanden aus einer tiefen Unzufriedenheit in weiten Teilen des Volkes. Ihre berechtigten Forderungen wurden von der Mehrheit der Franzosen getragen und in der Gesellschaft breit diskutiert. Zum Ende der Bewegung trugen schließlich vor allem deren Kompromissunfähigkeit und Radikalisierung bei, doch es wurden durch die monatelangen Proteste auch politische Veränderungen in Gang gesetzt.

Kein Widerhall bei den Franzosen

Im Gegensatz dazu finden die Corona-Demonstranten keinen Widerhall bei der Mehrheit der Franzosen, was durch zahlreiche Umfragen belegt wird. Die Proteste werden vor allem getragen von wild zusammengewürfelten Gruppen der extremen politischen Ränder, zu denen sich viele generell Unzufriedene und Verschwörungsgläubige gesellen.

Die Gelbwesten waren allerdings erstes sichtbare Ergebnis einer sehr grundsätzlichen gesellschaftlichen Entwicklung. Die schimmert nun auch bei den Corona-Protesten durch und muss den etablierten Politikern große Sorgen machen.

Misstrauen gegenüber den Eliten

Immer mehr Franzosen hegen ein großes Misstrauen gegenüber den sogenannten Eliten im Staat. Deren Prototyp ist in ihren Augen Präsident Emmanuel Macron, der bei seinen politischen Entscheidungen unbeirrt an Werten wie Rationalität und Individualismus festhält. Diesem rationalen Ich stellen die Demonstranten ein soziales Wir gegenüber. Gelingt es nicht, beide Pole miteinander zu versöhnen, stehen der Gesellschaft auch weiter unruhige Zeiten ins Haus.