Die Regale in vielen Supermärkten sind leergefegt. Foto: Roberto Bulgrin

In seinem Kommentar über die Ankunft des Coronavirus im Kreis Esslingen denkt Johannes M. Fischer über das merkwürdige Angst- und Kaufverhalten großer Gruppen nach. Er fragt: Was bleibt übrig, wenn die Panik wieder verschwindet?

Esslingen - Das waren Zeiten: „Wir“ waren Papst. „Wir“ waren Weltmeister der Herzen. „Wir“ waren sogar richtige Weltmeister. Und heute? Sind „wir“ ein leeres Regal. In der ostdeutschen Provinz genauso wie in der westlichen Metropolregion: Erfurt und Esslingen verschmelzen zu einer Panikgesellschaft. Besser gesagt: eine Panikteilgesellschaft. Denn inzwischen gehört auch dieses Statement zum guten Ton: „Ich mache beim Hamsterkauf nicht mit!“ Auch das im Osten wie im Westen. Irgendwo ist immer Einheit.

Einmal angenommen, das Coronavirus verliert über kurz oder lang wieder an Aufmerksamkeit, weil die drohende Pandemie doch nicht ausbricht. Oder weil die unzähligen Vorsichtsmaßnahmen, wie sie jetzt auch im Esslinger Landkreis in Gang kommen, fruchten. Oder weil die Forschung Mittel findet, die zu mehr Gelassenheit führen. Angenommen also, die Krankheit gliedert sich ein in die tausend anderen schlimmen Sachen, die uns tagtäglich widerfahren und die wir alle wie selbstverständlich hinnehmen – was bleibt dann übrig?

Was bleibt, sind Fragen. Warum verändert ein großer Menschenschwarm ohne vorherige Verabredung plötzlich die Richtung, verfällt in Panik und kauft sämtliche Schokoriegel- und Flüssigseifenregale eines Kaufhauses leer? Wieso packen Kunden kiloweise frisches Obst in den Einkaufswagen, wohlwissend, dass es nicht lange hält? Inwiefern beeinflussen leere Regale und volle Einkaufswagen die Handlungen eines Einzelnen, der als Alltagskunde in das Kaufhaus hereinkommt und als Panikkäufer heraustritt? Was genau passiert in diesen zwanzig Minuten in seinem Gehirn?

Corona fordert nicht nur Mediziner, sondern auch Psychologen und Soziologen. Die Ergebnisse werden allerdings etwas auf sich warten lassen, weil Wissenschaftler in der Regel ungern überhastet Ergebnisse verkünden. Carola wird dann vorgestern gewesen sein. Oder war es Korona?