Zwangspause: Sebastian Heymann von Frisch Auf Göppingen befindet sich in Quarantäne. Foto: Baumann

Corona-Fälle im Nationalteam wirbeln den Bundesliga-Spielplan durcheinander und sorgen für Absagen, davon betroffen ist auch Spiel von Frisch Auf Göppingen. Legt ein Länderspieltrip den kompletten Spielbetrieb lahm?

Stuttgart - Einer der Hauptbetroffenen des ganzen Dilemmas nahm am Mittwoch bei der Videokonferenz der Handball-Bundesliga (HBL) mit den Geschäftsführern der Clubs selbst teil: Der positiv auf Corona getestete Johannes Bitter. Der Torwart des TVB Stuttgart bekräftigte in seiner Funktion als Vorsitzender der Spielergewerkschaft noch einmal, dass die Abläufe beim Nationalteam „sehr gut und professionell“ gewesen seien. Das wäre auch noch schöner gewesen: Hätte dem Deutschen Handballbund (DHB) bei dem ohnehin äußerst umstrittenen Lehrgang auch nur ansatzweise Schlamperei vorgeworfen werden können, die Clubs hätten zurecht die Keule herausgeholt. So aber blieben sie zurückhaltend. „Jetzt haben wir zwar den Salat, aber letztlich ist man gegenseitig aufeinander angewiesen“, sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann.

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Fakt ist: Die heiß diskutierte Länderspielwoche hat neben Bitter in Marian Michalczyk (Füchse Berlin) einen zweiten Corona-Fall zur Folge. „Man hat gesehen, welche Risiken solche Reisen quer durch Europa mit sich bringen“, sagte Flensburgs Geschäftsführer Dierk Schmäschke. Und Kreisläufer Hendrik Pekeler ergänzte: „Jetzt hat sich das bestätigt, wovor alle gewarnt haben.“ Sein für Donnerstag vorgesehenes Spiel mit Kiel gegen die Füchse wurde vorsorglich abgesetzt, genauso wie das für Mittwoch geplante Spitzenspiel Flensburg gegen Melsungen. Wie erwartet fällt auch die Begegnung von Frisch Auf Göppingen am Donnerstag in Hannover aus.

Autofahrt mit Folgen

Die Göppinger Nationalspieler Sebastian Heymann und Marcel Schiller saßen mit Bitter in einem Auto und gelten deshalb als Kontaktpersonen ersten Grades. Sie befinden sich in Quarantäne. Und aufgrund einer Sonderregelung der HBL können Spiele verlegt werden, wenn in einem der Teams mindestens zwei Spieler aufgrund der Nationalmannschaftswoche in Quarantäne gesetzt werden mussten. Dies gilt aber nur für den aktuellen Spieltag 11./12. November. Am Sonntag (16 Uhr) muss Frisch Auf gegen die HSG Wetzlar auch ohne Heymann und Schiller antreten. „Natürlich ist das nicht schön, aber ich gehe davon aus, dass sich das im Laufe der Saison bei den Clubs ausgleicht“, sagte Göppingens Aufsichtsratschef Claus Mai. Er schob weder dem DHB noch der EHF den schwarzen Peter zu: „Das Gesamtprodukt Handball braucht die Verbände, auch sie müssen finanziell überleben.“

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Selbst Melsungen äußerte Verständnis für die Absage ihres Spiels. „Auch wenn unser Team unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren musste, begrüßen wir die Entscheidung der HBL als Vorsichtsmaßnahme“, sagte MT-Vorstand Axel Geerken. Das alles ändert nichts an der Tatsache: Dem Handball droht mit Blick auf den hoffnungslos überfüllten Wettkampfkalender ein Terminchaos. „Viel Raum haben wir nicht“, gab Bohmann zu und verwies auf die vielen Wettbewerbe mit Liga, Europacup, EM-Quali und WM: „Es wird ein Hauen und Stechen geben. Und das möchte ich vermeiden.“ So denkt er über die Absetzung des auf Februar 2021 verschobenen DHB-Pokal-Final-Four nach.

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Ein Szenario ist auch, nur die Hinrunde zu spielen und dann mit einer Auf- und Abstiegsrunde die Saison zu Ende zu bringen. Ohne Rücksicht auf fehlende Regenerationszeiten für Spieler ist Füchse-Chef und DHB-Vize Bob Hanning überzeugt: „Wir können das Programm noch durchziehen.“ Und: Die WM stehe „nicht im geringsten“ zur Diskussion: „Es geht ums Überleben unserer Sportart.“ Dazu gehört auch der Frauenhandball, der nun auch vom extrem unglücklichen Länderspieltrip betroffen ist: Bitters Partnerin Anna Loerper muss als Kontaktperson ersten Grades 14 Tagen in Quarantäne. Da sie nicht mit ihrem Team trainierte, kann die SG BBM Bietigheim weiter spielen – aber eben ohne ihre Spielmacherin.