Die Südwest-Grünen zelebrieren ihren Aschermittwoch normalerweise in Biberach. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Breitseiten gibt es diesmal nur am Bildschirm statt im Bierzelt - der politische Aschermittwoch fällt dieses Jahr ungewohnt steril aus. Das liegt nicht nur am fehlenden Publikum.

Stuttgart/Karlsruhe - Der politische Aschermittwoch ist ein festes Ritual im Kalender der Parteien. Hier holen die Amtsträger zum verbalen Rundumschlag aus, trinken Bier und hauen ungehemmt auf den Gegner ein. Der politische Aschermittwoch 2021 findet noch dazu nur wenige Wochen vor einer Landtagswahl statt - fällt aber mitten in die Zeit von Viren und Mutanten. Kein Geschunkel, kein Bierzelt, kein tobender Saal, stattdessen Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote. Die Parteivertreter im Südwesten probieren am Mittwoch trotzdem, sich in Wahlkampfstimmung zu reden. Den politischen Aschermittwoch verlagern sie ins Netz. Aber die Show fällt diesmal steril aus. Das liegt nicht nur am fehlenden Applaus, sondern auch an den erwartbaren Inhalten.

Die Südwest-Grünen zelebrieren ihren Aschermittwoch normalerweise in Biberach. Dafür veranstalten die Bundes-Grünen ein digitales Wohnzimmer. Ministerpräsident Winfried Kretschmann schickt eine Videobotschaft. Er verzichtet auf die Abteilung Attacke. Politischer Aschermittwoch bedeute in normalen Zeiten deftige Sprüche, derbe Rhetorik und heftige Attacken, sagt er. „Ich muss gestehen, diese Disziplin gehörte noch nie zu meinen liebsten.“ Angesichts der aktuellen Lage sei es sicher kein Fehler, auf Vereinfachungen und Verunglimpfungen verzichten. Das Land befinde ich in rauer See.

Sorgt die Krise für eine Beißhemmung am Aschermittwoch?

Kretschmann spricht von der Pandemie, dem Klimawandel, der Digitalisierung - und warnt eindringlich vor einer Politik der Alternativlosigkeit. „Gute politische Führung im 21. Jahrhundert, das bedeutet nicht, breitbeinig aufzutreten, Machtworte zu sprechen oder durchzuregieren“, sagt Kretschmann. „Die Zeit der Basta-Politik ist glücklicherweise vorbei.“ Bürger folgten den Politikern nicht blindlings und würden auch nicht selbstverständlich das tun, was von ihnen erwartet werde. „Deshalb muss auch Schluss sein mit der Behauptung, dazu gibt es keine Alternative. Es gibt immer verschiedene Alternativen - aber nicht alle sind gleich gut.“

Kretschmann gibt sich - wie er es gerne tut - ganz staatsmännisch, spricht viel von Verantwortung und Gemeinwohl, zitiert Aristoteles. „Ich find Winfried echt immer eindringlich“, freut sich Grünen-Bundeschef Robert Habeck im Anschluss an die Rede aus dem Südwesten. Kretschmann finde eben immer Worte, die einen ergreifen.

Die FDP-Spitze des Landes kommt in einem Karlruher Brauhaus zusammen und versucht es einen Tick derber. Landeschef Michael Theurer steht auf einem runden, knallpinken Teppich und guckt in die Kamera, neben ihm ein Holzfass und ein paar Malzsäcke. Eigentlich hatten sich die Liberalen im Ländle vom früheren Lieblingspartner CDU distanziert und für eine Ampel-Koalition mit Grünen und SPD geöffnet. Theurer drescht am Mittwoch aber vor allem auf die Grünen ein, schlägt in die Kerbe der Verbotspartei. Hintergrund ist ein Interview mit Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter. Die Grünen sehen sich derzeit mit dem Vorwurf konfrontiert, Einfamilienhäuser verbieten zu wollen. „Das war kein Zufall, das ist in der DNA der Bundesgrünen um Anton Hofreiter und Jürgen Trittin angelegt“, sagt Theurer. Er verspricht den Wählern hingegen Neubauten, Nahverdichtungen und Aufstockungen bestehender Gebäude.

Auch Corona ist Thema

„Aus dem Lockdown darf kein Knockdown werden“, sagt Theurer mit Blick auf notleidende Unternehmen in der Krise. Viele Hilfen kämen nicht an, es brauche Entbürokratisierung und Entlastung. Das Land müsse aus der Bräsigkeit kommen.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke verspricht am Mittwoch den Kampf für den Verbrennermotor. Außerdem brauche es ein Konzept im Kampf gegen die Pandemie, eine Öffnungsperspektive für Schulen, Handel, Gesellschaft. Es sei schwer zu erklären, warum Friseure bald wieder öffnen dürften und Schuhhändler nicht. „Infiziert man sich auf einem Frisierstuhl weniger leicht als in einem großflächigem Möbelhandel?“, fragt der FPD-Spitzenkandidat - und prognostiziert weitere juristische Niederlagen für die Landesregierung. Am Ende schenken sich die Liberalen auf ihrem rosa Teppich ein Bier ein und prosten in die Kamera.

Die SPD wiederum schießt sich zum Wahlkampfauftakt auf Landeskultusministerin Susanne Eisenmann ein. SPD-Landeschef Andreas Stoch warf der CDU-Spitzenkandidatin in seiner Internet-Rede mangelhaftes Krisenmanagement im Umgang mit der Pandemie vor. Sie habe Lehrer und Kita-Betreuer mit den Folgen der Corona-Krise alleine gelassen. „Wenn jemand immer nur im Kreis herumläuft und auf unterirdischem Niveau agiert, dann klingt das nicht nach einer Ministerin, dann klingt das nach einer Tunnelbohrmaschine“, kritisiert Stoch. Er war zwischen 2013 und 2016 in der grün-roten Landesregierung selbst Kultusminister. „Das Einzige, was sich dank Frau Eisenmann in allen Schulen und Kitas bis unters Dach häuft, das ist ein ganz großer Frust.“

Die Südwest-AfD wiederum streamt den Aschermittwoch auf Facebook. Ganz steril steht AfD-Spitzenkandidat Bernd Gögel an einem grauen Pult. „Wir alle haben uns diesen Aschermittwoch anders vorgestellt“, sagt er. Gögel beklagt ein Generalversagen der Altparteien, gibt ihnen die Schuld, dass die Fasnet ins Wasser gefallen ist. Die Corona-Politik sei katastrophal, egal ob sie aus Brüssel, Berlin oder Stuttgart komme. Und Vize Markus Frohnmaier wirbt um Wählerstimmen. „Wenn sie weiter Autos anstatt von Eselskarren fahren wollen, wenn sie weiterhin in einem Haus und nicht in einer Lehmhütte mit Solarzelle leben wollen, dann wählen sie die AfD.“