Reiner Bocka ärgert sich über die fehlende Perspektive für Clubs, als Betreiber der Livespielstätte und des Restaurants Galao kann er jedoch auf anstehende Konzerte blicken. Foto: privat

Wir stellen Betreiberinnen und Betreiber von Clubs und Livespielstätten und ihren Umgang mit der Krisensituation vor. Dieses Mal: Reiner Bocka vom Galao.

Stuttgart - Wie stehen Clubs und Livespielstätten in Stuttgart die lange Zeit der Schließung aufgrund der Pandemie durch? Und wie geht es raus aus der Krise? Wir haben uns unter Betreiberinnen und Betreibern umgehört. Dieses Mal: Reiner Bocka (56) vom Galao.

Wann haben Sie zum ersten Mal wieder geöffnet?

Das Galao ist Teil des Club Kollektivs Stuttgart. Wir verstehen uns als Vernetzungsplattform für Akteure und Akteurinnen, die in ihren jeweiligen Venues in Eigenregie und ohne staatliche Förderung kulturelle Veranstaltungen durchführen. Seit 12 Jahren veranstalten wir regelmäßig circa zweimal die Woche Konzerte von meist internationalen Musikern, die ihre eigene Musik produzieren. Dennoch ist das Galao auch Restaurant und Bar und hat deshalb als gastronomischer Betrieb schon seit dem 27. Mai wieder geöffnet.

Welches Event steht als nächstes an?

Das erste Konzert nach dem dritten Lockdown steht am Mittwoch, 7. Juli, mit Dominik Baer in seiner Magic Tea Tour an. Das zweite Konzert ist am Mittwoch, 4. August, mit Fabian Simon & The Moon Machine. Sie werden ihr neues Album live auf die Bühne bringen. Aufgrund der immer wieder neu aufgesetzten Coronaregelungen mussten 2020 fast alle Konzerte abgesagt werden. Erst seit etwa vier Wochen wagen sich die Künstler wieder daran, ihre Tourneen zu organisieren. Daher erwarten wir, dass ab September wieder Konzerte von internationalen Bands auch in kleinen Venues wie dem Galao durchgeführt werden können.

Renovierung oder Staubschlacht? Was ist in Ihrer Livespielstätte während der Lockdowns passiert?

Das Galao blieb fast die gesamte Zeit für ein paar Stunden am Tag offen für den To-go-Verkauf von Speisen und Getränken. Dies war jedoch eher als symbolische Geste zu verstehen, dass wir uns nicht unterkriegen lassen und weiterhin am Start sind. Dennoch haben wir die Zeit genutzt und renoviert. Bis wir nicht mehr wussten, was wir renovieren können, ohne Geld auszugeben.

Wie haben Sie sich finanziell in der Zeit der Schließungen über Wasser gehalten?

Finanziell war es sowohl für uns als Betreiber als auch für unser Team – das ja zumeist aus Minijobbern besteht – eine schwere Prüfung. Vor allem da Minijobber von den staatlichen Coronahilfen ausgenommen wurden und sich diese für Betreiber seit Januar auf die Übernahme von Fixkosten bezog. Jeder von uns hat seinen eigenen Weg finden müssen, um die enormen finanziellen Verluste abzufedern und mit dem Nötigsten auszukommen. Auch meine eigene Mietwohnung, die eigentlich auch als Künstlerwohnung fungiert, hat mich fast bankrott gemacht, weil die Einnahmen wegfielen. Die staatlichen Coronahilfen haben geholfen, aber den Verlust nicht ausgleichen können.

Was nehmen Sie aus der Pandemie für den Betrieb mit?

Die Pandemie hat deutlich gemacht: Sowohl Kunst und Kultur, aber auch die Begegnung mit Menschen, die man noch nicht kennt, sind keine Luxusgüter, kein „on top“, kein vorübergehender Spaß, sondern ein essenzielles, lebensnotwendiges Grundbedürfnis von uns Menschen. Deshalb ist es für mich unverständlich, wenn bis heute die Politik nicht begreifen will, welche enorme Bedeutung und Notwendigkeit die Clubkultur erfüllt. Es ist mir absolut unverständlich, von einer Öffnung für Clubs zu sprechen, aber diese Öffnung mit 10 Quadratmetern pro Person zu beschränken – ungeachtet der erfüllten Hygiene- und 3-G-Maßnahmen. Es ist mir absolut unverständlich, warum für die Fußball-EM und den „Eurovision Songcontest“ andere Öffnungsschritte gelten als für Clubs und Livespielstätten, die für die Zufriedenheit der Menschen vor Ort so viel mehr bedeuten als die großen medienwirksamen Events. Es ist ein Schlag ins Gesicht aller, die mit Herzblut und mit Respekt vor den Coronaregelungen Kultur und soziale Zusammenkünfte im öffentlichen Raum ermöglichen wollen und können.

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