Das Buchhaus Wittwer/Thalia richtet ab Montag eine Abholstation für Waren ein, die zuvor im Netz bestellt wurden. Foto: /Leif Piechowski

Ab Montag ist dem Einzelhandel Click-and-Collect-Verkauf erlaubt. Das Angebot vorbestellte Ware am Laden abzuholen, ist für Händler eher eine Form von Kundenbindung. Für Umsatz in der Krise taugt es kaum.

Stuttgart - Eine ganze Branche fühlt sich in der Corona-Krise im Stich gelassen. Mit Ausnahmen – etwa im Lebensmittelbereich – wird vielen Einzelhändlern demnächst wohl die Luft ausgehen. Das Eigenkapital ist aufgebraucht, die Erträge sinken gegen null, die Liquidität ebenso. Die Folge: viele Betriebe können ihren Verpflichtungen, wie Miete, Darlehen oder Gehälter, nicht mehr nachkommen, können keine weiteren Saisonwaren bestellen. Und ohne Saisonwaren, keine neuen Erträge. Ein Teufelskreis.

Großer Frust und hohe Hürden

Da scheint die Erlaubnis der Politik, von Montag an per Click-and-Collect verkaufen zu dürfen, wie ein Silberstreif am Horizont – als eine Möglichkeit, den Teufelskreis zu durchbrechen. Aber was steckt hinter dem Angebot? Ist der Verkauf von vorbestellter Waren an der Ladentür tatsächlich ein Rettungsanker? Wer sich in der Stadt umhört, erntet zunächst ein langes Schweigen. Zu groß scheint der Frust darüber, dass Politiker zwar Milliardenhilfen angekündigt haben, aber faktisch die Unterstützung im Handel nicht ankommt. Auch weil die Zugangshürden „für viele viel zu hoch sind“, wie Sabine Hagmann vom Handelsverband feststellt. Aber auch die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes bricht nicht in Jubelarien wegen des Click-and-Collect-Bonbons aus. „Im Grunde hätte der Handel das Angebot vor dem Weihnachtsgeschäft gebraucht“, sagt sie: „Da hätte es etwas gebracht.“

Nicht alle profitieren

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Hagmann will nicht undankbar erscheinen. Sie begrüßt es, dass Einzelhändler im Land nun bestellte Waren an die Kunden herausgeben dürfen. Auch weil einige Händler in den vergangenen Monaten in entsprechende Angebote investiert hätten. Aber denen, die gerade am meisten unter dem verlängerten Lockdown bis Ende Januar leiden, dem innerstädtischen Textil- und Lederwarenhandel, dürfte es keine große Hilfe sein. „Ich will es nicht schlechtreden“, sagt sie, „aber es hilft wohl in erster Linie dem Elektrohandel, einigen Möbelhändlern, Schreibwaren- oder den Buchhändlern.“ Und: „Wenn, dann dürften Händler in den Stadtteilen eher profitieren als die in der Innenstadt, da dort die Kundenbindung stärker ist.“

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All dem kann Rainer Bartle, Geschäftsführer des Buchhauses Wittwer/Thalia, nur zustimmen. Und er ergänzt: „Das Ganze bringt nur etwas, wenn man sein Sortiment digital transparent und sichtbar hat.“ Bartle gibt dazu ein Beispiel: „Das neue Buch von Barack Obama, kennt man und kann es telefonisch oder online bestellen, aber bei einer Tasche oder einem Kleidungsstück, wo es Variationen gibt, wird das Ganze schwieriger.“ Hinzu komme die Frage nach der Organisation und der Abwicklung. Wittwer/Thalia hat hierbei im Frühjahrs-Lockdown schon Erfahrungen gesammelt. Nun soll wieder am Ausgang hin zum Ochs’n Willy einen Tisch aufgebaut werden, wo Kunden die vorbestelle Ware zwischen 10 und 14 Uhr abholen können. Ähnlich will auch der Traditions-Händler Tritschler an seinem Stammhaus am Marktplatz Haushaltswaren von Montag an verkaufen. „Wir haben sogar eine Telefonhotline“, sagt Breuninger, „wo man uns unter von 10 bis 16 Uhr erreicht.“ Allerdings bleibt bei allem guten Vorsatz eine unbekannte Größe.

Für Breuninger eher unwichtig

Breuninger rechnet nicht vor Sonntagabend mit der Verordnung aus dem Sozialministerium, die das Hygieneschutzkonzept regelt. Dies, so die einhellige Meinung im Handel, dürfte vor allem für große Häuser, wie etwa Breuninger, die Umsetzung erschweren. Mehr noch: Wer, wie Breuninger eine florierenden Online-Shop hat, ist zudem auf Click-and-Collect nicht unbedingt angewiesen.

So oder so. Trischler, Wittwer/Thalia und viele andere Händler in der Innenstadt wollen am Montag mitmachen. Auch wenn es wohl in erster Linie der Kundenbindung dient – und kein großer Umsatzbringer ist. „Wirtschaftlich betrachtet kann Click-and-Collect natürlich nicht mithalten“, sagt Bartle, „aber es ist Umsatz. Und in diesen Zeiten, wo es für viele um die Existenz geht, ist jeder Euro wichtig.“ Ins gleiche Horn stößt Thomas Breuninger. Wichtig sei, den Kunden eine Freude zu machen.

Um die Umsatzdimensionen einschätzen zu können, plaudert der Tritschler-Geschäftsführer aus dem Nähkästchen: „In einem normalen Januar kaufen bei uns pro Tag etwa 700 bis 1000 Kunden ein. Jetzt rechnen wir mit etwa 50 Click-and-Collect-Kunden.“ Natürlich reiche das nicht aus, um die Krise zu meister, sagt er und fügt in bester Kaufmannshaltung hinzu: „Wir sind froh darüber und machen das Beste aus der Situation.“